Die Mädchen (German Edition)
dass sie auch
wirklich das Haus verließen.
„Das war nicht sehr clever von
dir“, sagte er, als er zurück im Wohnzimmer war.
Seine Tochter sprang vom Sessel
auf. „Na und? Außerdem ist das allein eure Schuld. Wenn ihr nicht gleich die
Bullen gerufen hättet, weil ich einmal nicht nach Hause komme, wäre das alles
nicht passiert. Euretwegen krieg ich jetzt keine Kohle mehr. Ihr habt mir alles
versaut.“
Vorher
Ihr Anruf erwischte mich
auf dem falschen Fuß.
„Bist du verrückt?“ fuhr ich sie
an, noch bevor sie überhaupt etwas sagen konnte. Ich verstieß damit gegen
sämtliche Verhaltensregeln, die ich mir selbst auferlegt hatte, seitdem es mit
ihr angefangen hatte, aber das Risiko, das sie eingegangen war, machte mich
wütend.
„Weißt du, wie spät es ist?“
Ich hörte, wie sie am anderen Ende
die Luft einsog. „Na, du bist ja drauf.“
Ich ruderte zurück. „Tut mir leid,
aber du kannst doch jetzt nicht mehr anrufen.“
„Das wollte ich auch nicht, aber
ich brauche echt deine Hilfe.“
Wobei dieses Mal? „Worum geht es?“
„Kannst du in die Wohnung kommen?“
Was? „Du bist jetzt in der
Wohnung?“
„Ja. Und ich weiß nicht, was ich
machen soll.“
Einmal kräftig durchatmen ,
sagte ich mir. „Bleib jetzt da. Ich überleg mir was.“
Ich drückte das Gespräch weg und
raufte mir die Haare. Was sollte das alles? Hätte sie sich nicht einen anderen
Zeitpunkt für ihren Auftritt aussuchen können?
Ich hatte keine Ahnung, was ich tun
sollte.
Siebzehntes Kapitel
Als Vladimir
Fjodor
Maiwald, der Name
recht typisch für einen Aussiedler aus den ehemaligen Sowjetrepubliken - Vladimir
Fjodor
russisch, Maiwald
deutsch - , in den Besucherraum geführt wurde, bekam Timo einen gehörigen
Schreck. Vladimir
Fjodor
war riesig und das
in jeder Beziehung. Seine Oberarme sahen aus wie Oberschenkel und seine
Tätowierungen, die scheinbar über den ganzen Körper verteilt waren, machten
nicht gerade einen vertrauenerweckenden Eindruck. Mit diesem Monster hatte sein
Bruder in einer Zelle gehaust? Kein Wunder, dass er sich lieber selbst das
Leben nehmen wollte, als wieder dort hineinzugehen. Wer konnte sagen, was er
mit diesem Mann hatte aushalten müssen? Er wechselte einen Blick mit Doreen,
die das gleiche zu denken schien.
Die Justizvollzugsanstalt Lübeck,
auch Lauerhof genannt, ist die größte Haftanstalt Schleswig-Holsteins und liegt
auf Marli. Der Haupteingang liegt im Marliring, ein weiterer im Besenkamp. Es
ist ein riesiger Komplex, der insgesamt über mehr als 500 Haftplätze verfügt,
die meisten für männliche Straftäter. Nach dem spektakulären Ausbruch des
Schwerverbrechers Christian Bogner im Jahr 2004, der viel politischen Wirbel
verursacht hatte, wurde eine neue sechs Meter hohe Mauer um die bereits
bestehende gebaut und es existiert eine neue Sicherheitsabteilung für besonders
gefährliche Straftäter mit zwölf Plätzen. Timo fühlte sich schon ein wenig
unbehaglich, als er seinen Wagen im Marliring abstellte und mit Doreen das
Gelände betrat.
Den Termin zu bekommen, war
leichter gewesen, als er vermutet hatte. Er hatte keine Probleme, den Namen des
Zellengenossen zu bekommen und zu seiner Überraschung hatte Maiwald gleich
einem Besuch zugestimmt. Laut Gesetz steht einem Inhaftierten eine Besuchszeit
von einer Stunde im Monat zu und Timo hatte wenig Hoffnung gehabt, dass Maiwald
bereit war, diese Zeit für ihn zu opfern. Dass er zugestimmt hatte, konnte
eigentlich nur bedeuten, dass er sonst nie Besuch bekam und dankbar für die
Abwechslung war. So fanden sie sich an diesem frühen Nachmittag mit einem
verurteilten Straftäter an einem Tisch wieder. Zum Glück war ihr Partner mit
irgendetwas Privatem beschäftigt, sodass Doreen ihre Mittagspause nutzen
konnte, den Besuch mit ihm gemeinsam durchzuziehen. Weswegen Maiwald verurteilt
war, hatte er vergessen zu fragen, was Doreen fast auf die Palme gebracht
hatte.
„Du weißt nicht, weswegen er
sitzt?“
„Nein. Ich hab gar nicht daran
gedacht zu fragen.“
Sie hatte nur mit den Augen
gerollt. „Dann sitzen wir da in aller Seelenruhe vielleicht mit einem
Serienmörder?“
Er hatte gelacht, was sie noch
aufgebrachter gemacht hatte. „Du lachst? Ich finde das überhaupt nicht witzig.“
„Entschuldigung, aber ehrlich. Wie
viele Serienmörder mag es hier geben? Ich hab noch von keinem gehört.“
Also erfuhren sie erst an diesem
Tag, dass er wegen verschiedener Drogendelikte und Totschlags einsaß.
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