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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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Sachen packen.“
    Simon musste für die Firma mit
einem Mitarbeiter für zehn Tage auf Geschäftsreise nach China, um dort ihren
Kunden vor Ort ein neues Internetmarketingkonzept vorzustellen, das er mit seinem
Team entwickelt hatte. Bei erfolgreichen Verhandlungen konnten daraus auch gut
ein paar Wochen werden, weil sie dann zur Einarbeitung bleiben würden. Er ging
an ihr vorbei in den Flur und nach oben. Sie hörte, wie er die Badezimmertür
öffnete und wieder schloss. Dann wurde der Wasserhahn aufgedreht. Er putzte
sich die Zähne. Sie nutzte die Gelegenheit. Seine Fragerei hatte sie ganz
unsicher gemacht. Wenn er so zu ihr war, blockierte sie immer. Dann konnte sie
sich nie an etwas erinnern. Jetzt fiel es ihr wieder ein, wann sie ihre Tochter
zuletzt gesehen hatte. Und es war ein sehr unerfreuliches Zusammentreffen
gewesen. Es war nach der Schule. Merle hatte die Tür aufgeschlossen und war
sofort nach oben verschwunden.
    „Merle!“ hatte sie ihr nachgerufen,
aber ihre Tochter hatte nicht reagiert.
    Sie hatte ihr nachgehen wollen,
aber sie war so müde gewesen. Was sollte es? Dann sprach sie eben mit ihr, wenn
sie wieder runter kam. Es dauerte nicht lange und sie hörte ihre Schritte auf
der Treppe.
    „Merle!“
    Sie hörte, wie sie kurz Halt
machte, dann aber weiter ging, als ob sie nichts gehört hatte. Jetzt reichte
es. Sie ging Richtung Diele.
    „Merle!“
    „Was ist?“
    Was war das wieder für ein netter Ton?!
Ihre Tochter stand am Fuß der Treppe. Und Cordula stockte der Atem.
    „Was hast du da in der Nase?“
    „Wonach sieht es aus?“
    Cordula ging auf sie zu. „Wer hat
dir erlaubt, einen Nasenring stechen zu lassen?“
    „Mein Gott! Reg dich ab.“
    „Ich hab dich was gefragt.“ Cordula
merkte selbst, wie schrill ihre Stimme wurde.
    „Alle meine Freundinnen haben
einen.“
    Wieder keine Antwort. Sie wusste,
dass sie konsequenterweise weitermachen musste, aber sie fühlte sich einfach
nicht. Und es war ja nicht nur dieser verdammte Ring.
    „Sag mal, ist der Rock nicht ein
bisschen kurz? Und musst du dich so anmalen?“
    Merle legte einen gelangweilten
Gesichtsausdruck auf. „Hast du noch was Wichtiges? Ich müsste nämlich sonst...“
    „Ich möchte, dass du mir eine
vernünftige Antwort gibst.“
    „Dann stell eine vernünftige
Frage.“
    Cordula zuckte zurück. „Musst du
immer so frech sein?“
    Merle zuckte nur mit den Achseln.
Sie hätte sie schütteln mögen, aber sie zweifelte daran, dass
Handgreiflichkeiten zu ihren Gunsten ausgehen würden, denn ihre Tochter war
ziemlich groß für ihr Alter. Und das war es, was ihr zusätzlich Sorgen machte.
Man hielt sie für älter, als sie tatsächlich war. Und wer wusste, wo sie mit
dem Aufzug überall reinkam. Ihr hellblauer Rock war mehr als kurz, und das Top
ließ deutlich erkennen, dass sie ziemlich entwickelt war. Sie selbst war ja
schon ein Frühentwickler gewesen, aber Merle schlug sie noch. Ihr langes,
blondes Haar trug sie offen und lange Ohrringe mit Ornamenten hingen ihr bis
fast auf die Schultern.   
    „Frau Sonntag hat angerufen.“
    Merle verdrehte die Augen. „Was
wollte die denn?“
    „Sie hat mir erzählt, dass sie dich
heute aus dem Unterricht nach Hause geschickt haben.“
    „Und?“
    „Mehr hast du nicht dazu zu sagen?“
    „Nein.“
    „Du sollst deine Mitschüler und
deine Lehrerin ganz schlimm beschimpft haben.“ Frau Sonntag hatte sich
geweigert, diese Dinge zu wiederholen, aber Cordula konnte sich lebhaft
vorstellen, was da so an Ausdrücken gefallen sein konnte.
    „Das sind solche Vollidioten.“
    „Warum hast du das gemacht?“
    „Weil die alle verklemmt sind. Und
Frau Sonntag ist die Schlimmste.“
    Cordula wusste, dass sie so nicht
weiterkommen würde und schlug eine andere Richtung ein. „Wieso kommst du erst
jetzt?“
    Sichtlich auf dem falschen Fuß
erwischt, schien ihre Tochter plötzlich auf der utHH Hut.
    „Ich war noch in der Stadt.“
    Es war klar, dass sie genau da
nicht gewesen war.
    „Wo willst du hin?“
    „Mama! Das ist meine Sache.“
    Cordulas Blick fiel auf den
Rucksack. Es juckte sie in den Fingern, den zu untersuchen. „Das ist es nicht.
Nicht seit vorhin. Du bleibst hier.“
    „Nein.“
    „Wenn du nicht willst, dass dein
Vater von der Geschichte in der Schule erfährt...“
    „Immer wenn du nicht weiterweißt,
bringst du Papa ins Spiel.“
    „Also geh nach oben und zieh dich
um.“
    Das Gefühl, am längeren Hebel zu
sitzen, hielt nur ein paar Sekunden an.
    „Ach

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