Die Mädchen (German Edition)
verschluckte mich beinahe an
meiner Cola und musste husten. Sie klopfte mir auf den Rücken. „Ach
herrje."
„Ich will dich nicht bedrängen“,
sagte ich, als ich mich sich wieder beruhigt hatte.
„Das tust du nicht. Also?“
Das lief ja wie am Schnürchen.
Genauso hatte ich es geplant und es ging schneller als gedacht. Jetzt hatte sie
den Eindruck, dass es wirklich von ihr ausging. Ich beugte mich zu ihr hinüber
und berührte leicht mit meinen Lippen ihren Mund. Es war wie ein elektrischer
Schlag, der bei der Berührung durch meinen Körper fuhr. Ihr Mund war so weich,
wahrscheinlich noch ungeküsst. Ich musste Angst haben, dass meine Hose platzte,
als sie meinen Kuss erwiderte. Unsere Zungen spielten leicht miteinander. Ich
hätte sie am liebsten auf das Sofa geschmissen und ihr die Kleider vom Leib
gerissen, aber ich wusste, dass ich damit alles kaputt gemacht hätte. Ich hätte
diese zarte Pflanze, die unsere Liebe im Moment noch war, niedergetrampelt.
Viertes Kapitel
Judith Keller trat voller Ungeduld
fortwährend von einem Fuß auf den anderen und dabei löste sich ihr Armreifen,
der mit einem leisen Klacken auf den Boden fiel. Das Ding machte sie noch
wahnsinnig. Wenn er nicht ein Geschenk ihrer in Kanada lebenden Großmutter
väterlicherseits gewesen wäre, hätte sie ihn längst in die Ecke geworfen und
sich etwas Neues gekauft. So musste sie ihn halt irgendwann mal zu einem
Juwelier bringen, der den Verschluss reparierte, damit sie ihn nicht noch
irgendwann verlor, ohne es zu merken.
Sie legte es wieder um und dabei
fiel ihr Blick auf ihre Uhr, die sie am anderen Handgelenk trug. Es war schon
nach zehn, ein bisschen spät für einen Wochentag, um noch unterwegs zu sein. Okay,
sie war kein Baby mehr, aber immerhin ging sie noch zur Schule und am nächsten
Tag schrieben sie eine Klausur, da war es schon besser, sie war einigermaßen
ausgeruht. Noch vor einem halben Jahr wäre ihr das völlig Wurst gewesen, doch
inzwischen wusste sie ganz genau, was sie wollte. Sie wollte Abitur machen und
da hieß es, sich verdammt noch mal am Riemen reißen, wenn sie einen guten Start
in die Oberstufe haben wollte.
Was trieb Bent nur so lange? Er
hatte ihr gesagt, dass er nur zehn Minuten brauchen würde, weil er was mit
seinem Kumpel besprechen musste und jetzt wartete sie schon seit über einer
halben Stunde vor dieser fiesen Spelunke neben seinem Motorrad. Und allmählich
wurde ihr kalt. Was war das überhaupt für ein Laden? Es sah aus wie eine ganz
heruntergekommene Siebziger-Jahre-Kneipe mit Spielautomaten und Musicbox, wie
sie sie aus alten deutschen Krimiserien kannte, die in Dauerschleife auf 3sat
ausgestrahlt wurden. Sie war noch nie zuvor hier gewesen und freiwillig würde
sie auch wohl nicht wieder herkommen. Allein die dreckigen Scheiben wären für
sie schon ein Grund gewesen, einen Riesenbogen darum zu machen. Was Bent hier
wohl zu klären hatte? Es war nicht das erste Mal, dass er sie im Unklaren ließ,
was er vorhatte. Erst am Nachmittag hatte er sie versetzt, weil er einer mit
Sicherheit dubiosen Sache nachgehen musste. Das vermutete sie zumindest, seine
Ausrede war so dünn, dass sie die ihm nicht abkaufen konnte. Na, es war
bestimmt besser, dass sie da nicht eingeweiht war. Wenn seinem Freund dieses
Etablissement gehörte, war von dieser Freundschaft nichts Positives zu
erwarten.
Nicht, dass Bent selbst ein
völliges Unschuldslamm gewesen wäre. Sie wusste, dass er schon mindestens einen
Jugendarrest hinter sich hatte und den bekam man schließlich nicht einfach so
aufgebrummt. Es war gerade dieses Verwegene, das er ausstrahlte und sich auch
in seinem Äußeren zeigte, was ihn für sie so interessant gemacht hatte. Dieser
totale Kontrast zu ihr, die niemals ungeschminkt und ohne ihre blonden langen
Haare vernünftig frisiert zu haben und immer in angesagten Sachen das Haus
verließ, übte eine gewisse Faszination auf sie aus. Bent trug seine dunklen
Haare schulterlang, hatte einen Dreitagebart und beide Ohren mit mehreren
Ringen geschmückt. Seine Klamotten waren immer irgendwie abgewetzt und die
Tätowierungen auf den muskulösen Oberarmen unterstrichen den leicht
ungepflegten Eindruck, den er hinterließ.
Judith hatte mittlerweile
allerdings feststellen dürfen, dass das alles zu seiner Show gehörte. Er war
keineswegs ungepflegt, sondern legte es vielmehr ganz gezielt darauf an, dass
jeder dachte, er scherte sich keinen Deut um sein Erscheinungsbild. Eigentlich
traurig, wenn man
Weitere Kostenlose Bücher