Die Mädchen (German Edition)
konnten sich ganz direkt und oft auch laut die
Meinung blasen, auch wenn es manchmal weh tat, aber dann war es auch irgendwann
wieder gut und sie konnten zur Tagesordnung übergehen. Konflikte schwelten bei
ihnen nicht lange im Untergrund oder wurden unter den Teppich gekehrt. Glen
selbst kannte das aus seiner Familie, in der seine Mutter immer alles gedeckelt
hatte, auch seine Homosexualität, mit der Folge, dass die Fronten zwischen ihm
und seinem Vater komplett verhärtet gewesen waren. Der Wunsch nach Harmonie
wurde so zwar oberflächlich erfüllt, aber Konflikte konnten eben nicht gelöst
werden, da sie nicht angesprochen wurden. Es hatte Jahre gedauert, bis er
wieder ein vernünftiges Wort mit seinem Vater hatte sprechen können und er
hatte sich geschworen, dass er das in seinen Beziehungen anders machen würde.
Bei Doreen lief das prima, bei Torben hatte es nicht so gut hingehauen.
„Weißt du, Panowsky hat mich
nachdenklich gemacht.“ Sie erzählte ihm, wie er auf die Fragen nach Tuchels
damaliger Freundin reagiert hatte.
„Es ist ja kein Wunder, dass er dir
den Namen nicht geben will. Sie könnte ihn ja noch weiter belasten. Sein Anwalt
wird sicher versuchen, eine Anklage wegen Mordes oder Mordversuch zu vermeiden
und wenn sie womöglich aussagt, dass er langfristig einen Mord geplant hat,
nützt die beste Verteidigung nichts.“
„Vielleicht, obwohl die
Staatsanwaltschaft wahrscheinlich sowieso mit ihr sprechen wird. Aber da war
noch was anderes. Er hat sich regelrecht über mich lustig gemacht. Ich kam mir
total blöd vor, so als ob ich schon längst wissen müsste, wo ich diese Frau
finden kann.“
Glen kratzte sich am Kopf. „Woher
sollte er das wissen?“
„Keine Ahnung.“
Glen seufzte. Eigentlich hatte er
sich geschworen, ihr nicht zu helfen. Warum sollte er sich Timos wegen
Unannehmlichkeiten bereiten? Was hatte er mit ihm zu tun, außer dass er sich Doreens
Geschichten über ihn anhören musste?
„Ich weiß, ich werde es bereuen. Na
gut, wie hieß das Mädchen damals?“
„Marina Schulze.“
„Marina? Wie die Müller?“
„Daran hab ich auch gleich gedacht,
aber das wäre ja wirklich ein großer Zufall, oder? Außerdem ist die viel zu
alt.“
„Ja, das stimmt wahrscheinlich. Wie
alt ist sie? Mitte dreißig?“
„Schätzungsweise, vielleicht auch
vierzig.“
„Wohl zehn bis fünfzehn Jahre zu
alt für unsere Marina. Und in der Akte gibt es keinen Hinweis darauf, wo sie
geblieben sein könnte?“
„Nein. Ich könnte mir vorstellen,
dass die Eltern damals mit ihr weggezogen sind, um sie zu schützen und nicht
dem Gerede auszusetzen, dass sie mit einem Mörder zusammen war.“
Glen nickte nachdenklich. So hätte
er als Vater gehandelt. Und wenn beruflich kein Umzug möglich gewesen wäre,
hätte er zumindest den Stadtteil gewechselt.
„Wer könnte uns da noch
weiterhelfen?“
„Die Staatsanwaltschaft, denke ich,
aber das möchte ich lieber noch nicht versuchen.“
„Das kannst du auch gar nicht“,
meinte Glen. „Das müsste über Funke laufen.“
„Eben. Und dem kann ich damit im
Moment wohl kaum kommen.“
Sicher nicht. Aber was blieb dann
noch? „Warte mal, in der Akte stehen doch die Namen der Zeugen. Du kannst
versuchen, ob du über die was rausfindest.“
„Damit hab ich schon angefangen.“
Sie zeigte ihm eine Liste. „Hier hab ich mir schon ein paar Namen notiert. Aber
das kann natürlich dauern und es könnte am Ende genauso sein wie mit der Schulze.“
Auch wieder wahr. Er hob und senkte
die Schultern. „Wird dir aber wohl nichts anderes übrigbleiben.“
Sein Blick fiel auf den
Aktendeckel, auf dem der Name Tuchel in großen Buchstaben geschrieben war und
da hatte er eine Erleuchtung.
„Mann, sind wir blöd. Es ist direkt
vor unserer Nase und wir kommen nicht darauf.“ Er musste grinsen und machte
Doreen damit ungeduldig.
„Was? Nun sag schon.“
„Du brauchst nicht einmal selbst
etwas zu tun. Schick einfach Timo zu Tuchels Mutter. Sie wird schon wissen, was
aus dem Mädchen geworden ist.“
Philipp König packte seine Tasche
für die Uni am nächsten Morgen. Ursprünglich hatte er den Abend wieder mit Glen
verbringen wollen, aber der hatte ihm abgesagt, weil er bis spät im Büro sein
würde. Er war zwar etwas enttäuscht gewesen, doch so hatte er die Zeit mal
wieder für sein Studium nutzen können, was in den letzten Wochen ziemlich kurz
gekommen war. Er hatte seine Hausarbeit formatiert, einige Passagen
überarbeitet und
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