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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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verziehen.
    „Seit ungefähr zwei Monaten.“
    „Seit du bei Schlüter ausgezogen
bist.“
    Ganz ruhig bleiben, sagte er
sich und setzte sich ihr gegenüber auf das Bett. „Ja.“
    „Warum bist du dort ausgezogen?“
    „Es war einfach an der Zeit.“
    „Dein Vater und ich, wir waren
ziemlich entsetzt, als wir dich damals mit ihm zusammen gesehen haben.“
    „Und das habt ihr mir ja auch
deutlich zu verstehen gegeben.“
    „Bitte Philipp, mach es mir nicht
so schwer. Ich bin nicht hier, um mich mit dir zu streiten, wirklich nicht.“
    „Gut. Ich will mich auch nicht streiten.“
    „Wir waren damals einfach besorgt
um dich. In was für Kreisen du dich bewegst. Schließlich ist Schlüter kein
unbeschriebenes Blatt.“
    Er musste sich wirklich
zusammenreißen, sie nicht anzuschreien. „Und da schmeißt ihr mich raus?
Komische Art, Besorgnis zu zeigen.“
    Seine Mutter nickte. „Du hast
Recht. Es war falsch. Das weiß ich jetzt. Und es tut mir unendlich leid, dass
wir dich vertrieben haben.“
    Er merkte, wie seine Stimmung
umschlug. Um Gottes Willen, nur nicht in Tränen ausbrechen. Er wollte seiner
Mutter gegenüber auf keinen Fall ein Zeichen von Schwäche zeigen.
    „Wir hätten dir besser zuhören
müssen, für dich da sein müssen. Stattdessen haben wir dir Vorwürfe gemacht.
Dir unterstellt, du würdest dich aushalten lassen. Dabei hätten wir dich besser
kennen müssen.“
    Er hatte kein Interesse mehr daran,
in der Vergangenheit rumzuwühlen. Damit hatte er sich viel zu lange
aufgehalten. Und er wollte auch nicht, dass sie das tat.
    „Mutter, warum bist du hier?“
    „Ich will, dass wir wieder eine
Familie sind. Du bist mein Sohn und ich liebe dich. Du kannst dir nicht
vorstellen, wie schwer das letzte Jahr für mich gewesen ist.“
    Er hörte das leichte Vibrieren in
ihrer Stimme und konnte sehen, dass sie mit den Tränen kämpfte. Er wusste aber
auch, dass es keine Tränen um ihn sein würden, sondern dass es in erster Linie
um sie selbst ging.
    „Und für mich war das alles leicht,
oder wie? Was glaubst du, warum ich bei Schlüter eingezogen bin? Ich wusste
nicht, wohin.“
    Sie legte rollte mit
dem Stuhl vor und legte ihm die Hand auf den Oberschenkel. „Ich weiß. Es tut
mir leid. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich weiß inzwischen, dass zwischen
Schlüter und dir nichts gelaufen ist. Wir hätten mehr Vertrauen zu dir haben
müssen.“
    Allerdings. „Ja. Ich hätte vor
allem von dir mehr erwartet. Dass Vater so reagiert, war ja zu erwarten, aber
du...?“
    „Ich weiß“, sagte sie leise. „Glaub
mir, es vergeht kein Tag, an dem ich mir das nicht selbst vorwerfe.“
    Er musste schlucken. Hatte er sie
unterschätzt? Ging es ihr tatsächlich um ihn?
    „Gunnar hat uns von deinem Freund
erzählt.“
    Er verdrehte die Augen. „Das weiß
ich.“
    „Komm, Philipp. Sei nicht sauer auf
ihn. Er hat es nur gut gemeint.“
    Er winkte ab. „Ist ja auch egal.“
    „Und du bist dir sicher?“
    „Was?“
    „Na, du weißt schon...“
    Er starrte sie an. „Du meinst, ob
ich schwul bin? Mein Gott, du kannst es nicht mal aussprechen.“
    Sie seufzte. „Also schön. Bist du
schwul?“
    „Gunnar hat euch doch gesagt, dass
ich mit einem Mann zusammen bin. Was soll das also für eine Frage sein?“
    „Du bist dir sicher, dass es nicht
nur eine Phase ist?“
    Er verdrehte die Augen. Hatte sie
das aus irgendeiner Soap? Oder hatte sie sich einen Ratgeber für Eltern von
homosexuellen Kindern zugelegt?
    „Nein, Mutter. Es ist nicht nur
eine Phase. Ich liebe einen Mann. Es hat mich zuerst selbst überrascht, aber
jetzt hat sich für mich alles geklärt. Ich stehe auf Schwänze.“
    Seine Mutter zuckte zurück und
zeigte damit die von ihm beabsichtigte Reaktion. Aus lauter Bosheit setzte er
noch einen drauf.
    „Du siehst also, wenn ihr wieder
Kontakt mit mir wollt, müsst ihr wohl oder übel damit klar kommen, dass ich mit
Männern ficke.“
    Sie atmete kräftig durch. „Ich
hätte es auch ohne deine blumige Sprache verstanden. Danke.“
    „Da bin ich nicht so sicher.“
    Sie musterte ihn einen Moment und
dann überraschte sie ihn. Ihr Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. „Du hast
dich verändert. Du bist erwachsen geworden.“
    So hatte er das noch gar nicht
gesehen. Aber es stimmte. Er hatte in den vergangenen Monaten einen
Reifeprozess durchlaufen, der schon erstaunlich war und der ihm zu Hause sicher
nicht gelungen wäre. Insofern hatten seine Eltern ihm mit ihrem Rausschmiss
indirekt sogar einen

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