Die Mädchen (German Edition)
Es war doch klar, dass der jedem Tier
hinterher rannte, ohne sich darum zu kümmern, was Herrchen wollte. Nicht zum
ersten Mal wünschte Funke sich, dass mehr Hundehalter über ihre Hunde informiert
waren und sich schulen ließen, um den richtigen Umgang mit ihnen zu lernen oder
sich zumindest Hunde anschafften, die zu ihren Gewohnheiten passten und sie
nicht nach ihrem Aussehen aussuchten.
„Weil er nicht wiederkam und ich
nicht wollte, dass er mit seinem Bellen hier noch alle aufweckt, bin ich über
den Zaun geklettert. War übrigens nicht gerade einfach. Und da stand er in
diesem Container und zog an etwas herum. Ich bin hin und wollte ihn wegziehen,
als ich gesehen habe, was er da in der Schnauze hatte.“
Er schauderte. „Es war eine Hand.
Und ich hab gesehen, dass da noch mehr dran hing. Ich hab Snoopy weggezogen und
dann hab ich die Polizei angerufen. Zum Glück hatte ich mein Handy dabei.“
„Das haben Sie richtig gemacht“,
lobte Funke ihn. „Was meinen Sie, wie lange hat es gedauert, von dem Fund bis
zu Ihrem Anruf?“
„Ich bin nicht gut im Schätzen. Und
dann die Leiche… Ich würde sagen, keine zwei Minuten, aber beschwören kann ich
das nicht.“
Funke nickte. „Ist Ihnen
irgendetwas aufgefallen, als Sie auf dem Friedhof waren?“
Er schüttelte den Kopf. „Gar
nichts.“
Ob er das nach dem Fund allerdings
wirklich gemerkt hätte?
„Und vorher, als Sie mit Ihrem Hund
draußen waren? Vielleicht ein Auto, das hier nicht in die Eschenburgstraße
gehört oder so?“
Er überlegte einen Moment. „Nein,
tut mir leid, da war nichts.“
Täuschte er sich, oder wich er
seinem Blick aus?
Doreen Siewers zog die Wohnungstür
hinter sich ins Schloss und ging die knarrende, alte Holztreppe ihres Hauses in
der Gartenstraße hinunter. Sie war hundemüde und hatte das Gefühl, als könnte
sie jeden Knochen in ihrem Körper spüren. Anscheinend brütete sie irgendeine
Erkältung aus. Ein bisschen mehr Schlaf hätte ihr sicher gut getan, aber
andererseits war sie auch froh, dass sie an diesem Morgen so früh los musste.
Somit entging sie der Möglichkeit, Timo im Flur über den Weg zu laufen. Oder
noch schlimmer, seiner neuen Flamme, der blöden Schlampe. Obwohl, wie eine
Schlampe hatte sie eigentlich nicht gewirkt. Im Gegenteil, unter anderen Umständen
hätte sie sie womöglich sympathisch gefunden, doch das war jetzt natürlich
völlig ausgeschlossen.
Seit der peinlichen Begegnung vor
ein paar Wochen, die sie am liebsten aus ihrem Gedächtnis gestrichen hätte,
hatte sie es tatsächlich geschafft, den beiden aus dem Weg zu gehen und sie
hoffte, dass ihr das auch weiterhin gelang. Sie musste über sich selbst den
Kopf schütteln. Wo hatte sie sich da nur wieder hinein manövriert? Dass sie
kaum unbefangen die Treppe rauf und runter gehen konnte, durfte echt nicht wahr
sein.
Scheiße! war der erste
Gedanke, der ihr durch den Kopf ging, als sie ihren Corsa sah, der neben Timos
Golf auf der Auffahrt stand. War ja klar, dass sie Eis kratzen musste. Wäre ja
auch zu schön gewesen, wenn ihr das mal erspart geblieben wäre. Sie nahm den
Eiskratzer, den sie in der Abseite der Fahrertür ihres Corsas aufbewahrte, und
legte los. Sie hatte mal gehört, dass man nur in eine Richtung kratzen sollte,
damit man nicht mit dem Dreck, der unter dem Eis war, die ganze Scheibe zerkratzte,
aber das war ihr in diesem Moment egal. Sie wollte es nur so schnell wie
möglich hinter sich bringen und sich nicht länger als nötig in der Kälte
aufhalten. Nachdem sie alle Scheiben vom Eis befreit hatte, stieg sie ein,
gurtete sich an und startete den Motor. Während sie vom Grundstück fuhr, fiel
ihr der alte Polo auf, der nun schon seit dem Wochenende jeden Morgen an der
Straße stand. Kein Zweifel, das war ihrer, und der Anblick versetzte ihr einen
Stich. Na, zumindest hatte Timo seine Wohnung wieder entdeckt, was in den letzten
Wochen nur selten der Fall gewesen war. Sie mochte es sich kaum eingestehen,
aber sie sah wirklich jeden Abend, bevor sie ins Bett ging, aus dem Fenster, um
zu kontrollieren, ob Timos Wagen da war oder nicht. Und in der Regel war er es
nicht gewesen. Dann war sie mit einem üblen Gefühl im Magen ins Bett gegangen,
noch einige Zeit lauschend, ob sie seinen Wagen vielleicht doch noch kommen
hörte. Aber wenn sie morgens das Haus verließ, war ihr Corsa stets das einzige
Fahrzeug auf dem Grundstück. Sie hatte sich schon gefragt, wozu Timo eigentlich
die Wohnung noch hatte. Sollte er doch
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