Die Mädchen (German Edition)
Presse?“
„Schuldig“, grinste er. „Es ist ein
Mädchen, oder?“
Ohne ihm zu antworten, wandte sie
sich von ihm ab. Sie zeigte dem Beamten vor dem Eingang ihren Ausweis und er
nickte sie durch.
„Ich kann Ihnen helfen.“
„Passen Sie bloß auf, dass der
Spinner hier nicht durch kommt“, sagte sie zu dem Polizisten.
„Machen Sie sich da mal keine
Gedanken“, beruhigte er sie. Dann zeigte er mit der Hand an ihr vorbei. „Sie
lassen die Kapelle hier links liegen und nehmen den nächsten Gang rechts. Dann
immer geradeaus und sie kommen genau darauf zu. Sie können es nicht verfehlen.“
Sie bedankte sich und machte sich
auf den Weg. Wieso wollte der Typ wissen, dass es ein Mädchen war, das man
gefunden hatte? Hatte er den Funk abgehört? Diese Presseleute waren wirklich
das Letzte. Sie zog ihre Jacke etwas enger, da es sie etwas fröstelte. Ob das
an der winterlichen Kälte oder der düsteren Atmosphäre auf dem Friedhof lag,
wusste sie nicht. Sie war zwar keine gebürtige Lübeckerin, aber sie kannte den
Burgtorfriedhof bei Tageslicht, weil sie vor gut einem Jahr an der Trauerfeier
für ein Mordopfer in der Kapelle teilgenommen hatte, und da war er ihr weit
weniger bedrohlich vorgekommen. Was schummeriges Licht so alles ausmachen
konnte. Sie schüttelte sich leicht, bog rechts ab und wäre beinahe mit einem
Mann zusammengestoßen.
„Entschuldigung“, sagte sie.
Er winkte ab. „War doch nichts.“
Er passierte sie und hinter ihm
kamen zwei Männer, die einen Sarg trugen. Also waren sie schon fertig mit der
Leiche. Innerlich atmete sie auf. Auch wenn sie sich ärgerte, dass sie so spät
benachrichtigt worden war, war sie insgeheim doch erleichtert, dass ihr der
Anblick erspart blieb. Sie warf ihnen ein Blick nach und erst jetzt fiel ihr
die Tasche auf, die der erste Mann bei sich trug. Dann musste das der Professor
sein, der Gerichtsmediziner, dieser Braun, der immer gerufen wurde, wenn ein
ungeklärter Todesfall auftrat. Ob der schon Andeutungen gemacht hatte? Sie
wusste, dass er das nur ungern tat und mit seiner Zurückhaltung ihren Boss,
Hauptkommissar Funke, schon mehrmals zur Verzweiflung getrieben hatte, aber
manchmal ließ er sich doch zu der einen oder anderen Äußerung hinreißen.
In der hintersten Ecke des Ganges
sah sie mehrere Menschen in und um einen Container herum kriechen. Ein Mann
entfernte sich von der Gruppe und kam ihr entgegen. Er sah aus wie Roman,
Oberkommissar Frohloff, ihr ständiger Partner, makellos gekleidet in dunklem,
halblangem Mantel und dunkler Hose, aber irgendwie anders. Als er vor ihr
stand, wusste sie, was ihn so verändert aussehen ließ.
„Himmel! Wo ist dein Bart?“
„Ich wünsche dir auch einen guten
Morgen“, sagte er mit verkniffenem Mund.
Dass sie noch erleben würde, wie er
ohne Bart aussah, hätte sie niemals für möglich gehalten. Sie hatte den Bart
nie ausstehen können und war nicht verwundert, dass er ohne sehr viel attraktiver
war.
„Super! Endlich siehst du nicht
mehr aus wie eine Witzfigur.“ Es war raus, ohne dass sie vorher darüber
nachgedacht hatte. Erschrocken hielt sie die Hand vor den Mund. „Tut mir leid,
so war das nicht gemeint.“
Er zog spöttisch die Augenbrauen
hoch. „Du sagst doch nie etwas, das du nicht meinst.“
„Komm“, sagte sie. „Sei nicht
sauer. Das sieht so viel besser aus.“
Er winkte ab. „Lass gut sein. Wir
haben andere Sorgen. Wir sollen gleich los.“
„Ohne dass ich die anderen begrüßt
habe?“
Er nahm sie beim Arm. „Komm.“
Sie ging mit ihm zurück, wo sie hergekommen
war. „Dürfte ich vielleicht noch erfahren, was genau passiert ist?“
„Ein Mädchen, zwischen dreizehn und
sechzehn. Erstochen.“
„Mein Gott!“ entfuhr es Doreen. Der
Typ vorne hatte tatsächlich Recht gehabt. „Wie schrecklich.“
„Ja. Furchtbar.“
„Vergewaltigt?“
Roman zuckte mit den Achseln. „Kann
man noch nicht genau sagen. Es sieht aber ganz danach aus. Sie ist nackt.“
Doreen spürte, wie sich ihr Magen
verkrampfte. Auf einmal war sie dankbar dafür, dass sie erst später gerufen
worden war. „Was gibt es nur für Schweine auf der Welt. Und ist das Mädchen
dort ermordet worden?“
„Die vom Erkennungsdienst meinen
nein. Es sieht so aus, als ob sie dort lediglich abgelegt wurde. Ein paar
Spuren auf dem Boden deuten darauf hin. Und sie ist mindestens schon seit zehn
Stunden tot, also zu einer Zeit, als noch etwas Betrieb auf dem Friedhof war.
Wenn sie dort ermordet worden wäre,
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