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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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da so an seiner
Brille herumnestelte. Er ärgerte sich im Nachhinein sicher, dass er so eine
unbedachte Äußerung getätigt hatte. „Sag mal, hat Kevin eigentlich schon was
gefunden?“
    Kevin war Funkes ältester Sohn. Er
besuchte das letzte Schuljahr des Gymnasiums und plante, danach für eine Weile
ins Ausland zu gehen. Auch wenn seiner Frau und ihm das ganz schön bevor stand,
wusste er doch, dass es eine gute Entscheidung war. Nach dem Scheitern seiner
ersten großen Liebe hatte Kevin gerade ein paar schwere Wochen hinter sich und
für sie alle war es sicher am besten, wenn er ein bisschen Abstand bekäme.
Froh, für einen Moment die Gedanken an das tote Mädchen beiseite schieben zu
können, ging er darauf ein.  
    „Wegen England, meinst du?“
    „Ja. Du sagtest doch, dass er nicht
zu Maggies Familie will.“
    Maggie Funke war Engländerin und
hatte ihren Mann während ihres Studiums an der Hamburger Universität kennen
gelernt. Ihre Eltern und die beiden Schwestern lebten mit ihren Familien in der
Nähe von London. Kontakt war vorhanden, allerdings nur sporadisch. Ihre Eltern
hatten es nicht einmal zu ihrer Hochzeit geschafft, was Maggie ihnen niemals
verziehen hatte. Sie hatten sie bislang tatsächlich erst einmal in Deutschland
besucht, und das war zu Kevins Konfirmation gewesen. Ihre Schwestern waren
nicht viel anders, auch wenn er die schon öfter zu Gesicht bekommen hatte.
Funke vermutete, dass es daran lag, weil sie sich in Deutschland irgendwie unwohl
fühlten, auch wenn er den Grund dafür nicht kannte. Umgekehrt waren sie
mindestens einmal im Jahr für ein paar Tage drüben und seit Ryanair Flüge von
Lübeck-Blankensee nach Stansted anbot, war Maggie auch schon kurz entschlossen
allein oder mit ihrer jüngsten Tochter Helen übers Wochenende hingeflogen.
    „Ja. Er meint, er hätte dann das
Gefühl, dass er uns noch zu nah wäre.“ Funke seufzte.
    „Trifft dich das?“
    „Na ja, er wird halt erwachsen. Und
nach den letzten Monaten kann ich verstehen, dass er zu sich selbst finden
will. Andererseits finde ich es gut, dass er nicht zu Maggies Eltern will. Da
würden wir uns sonst immer so verpflichtet fühlen.“
    „Ich hab neulich mit einer Freundin
aus Salisbury telefoniert. Du weißt doch, aus der Zeit, die ich dort gelebt
habe, und sie hätte ein Zimmer in ihrem Haus frei. Für den Übergang wäre das
doch vielleicht gut.“
    Funke bog in die Travemünder Allee
ein. „Das ist nett von dir. Aber ich finde, dass Kevin das alleine
bewerkstelligen muss.“
    Behrend wandte sich wieder seinem
Ausdruck zu. „Das andere Mädchen, Merle Grothe, vierzehn, wurde als vermisst
gemeldet ebenfalls gestern Abend um dreiundzwanzig Uhr. Der Vater hat
angerufen. Das Mädchen wurde zuletzt gesehen gegen vier Uhr nachmittags.“
    „Klingt irgendwie ähnlich, findest
du nicht?“
    „Wäre interessant zu wissen, ob die
beiden sich kannten.“
    Funke stöhnte auf. „Hör bloß auf.
Ich hoffe wirklich, dass es da keinerlei Zusammenhang gibt.“

Vorher
    „Findest du eigentlich, dass ich
mich zu aufreizend anziehe?“
    Sie trug eine knappe Shorts aus
Jeansstoff, darüber ein T-Shirt, das den Blick auf ihren gepiercten Bauchnabel
freigab, kaum zu glauben, was Eltern heutzutage alles erlaubten, und Flip-Flops
an den Füßen. So etwas wie einen BH schien sie außerdem nicht zu besitzen. Ich
musste mich stark zurückhalten, mich nicht sofort auf sie zu stürzen und war in
diesem Moment froh, dass ich gegenüber und nicht neben ihr saß. Aufreizender
ging es also nicht. Aber sollte ich das sagen? Ich wollte ja, dass sie so und
nicht anders aussah, wenn sie zu mir kam. Ich entschloss mich zu einer Lüge.
    „Nein, überhaupt nicht.“
    Sie grinste mich breit an und
machte mir damit klar, dass sie genau wusste, was in mir vorging. War sie am
Ende gar nicht so unschuldig, wie ich immer angenommen hatte?
    „Meine Eltern drehen regelmäßig
durch. Und in der Schule labern auch alle darüber ab.“
    Das konnte ich mir allerdings nur
allzu lebhaft vorstellen. „Na, vielleicht solltest du in der Schule etwas
gemäßigter rumlaufen.“
    „Meinst du?“ Sie schien nicht
überzeugt. „Ich weiß nicht. Ich habe irgendwie keine Lust, mich zu verstellen.“
    Ich zuckte mit den Achseln. „Dann
lass es.“
    Sie schlug die wohlgeformten Beine
übereinander. „Es könnte übrigens sein, dass ich demnächst nicht mehr so viel
Zeit habe.“
    Ein Stich durchfuhr mich. Wollte
sie mir damit sagen, dass wir uns nicht mehr sehen

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