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Die Mädchen (German Edition)

Die Mädchen (German Edition)

Titel: Die Mädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Döhring
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einen Moment hineinkommen?“
    Sie schüttelte seinen Arm ab und
nickte. Wortlos wies sie ihnen den Weg und schloss die Tür hinter ihnen. Sie
gingen ihr voraus ins Wohnzimmer.
    „Cordula?“ hörte Frohloff einen
Mann von oben rufen. „Wer war das?“ Schritte auf der Treppe kündigten an, dass
er gleich im Wohnzimmer auftauchen würde.
    „Guten Morgen“, sagte er verdutzt,
als er sie beide sah. Er warf seiner Frau einen Blick zu, der verriet, dass er
nicht wusste, was sie geritten hatte, sie beide hereinzulassen. Er war groß und
schlank, hatte dunkle Haare, die an den Schläfen grau waren und stechende
Augen. Im Gegensatz zu seiner Frau war er bereits vollständig angezogen mit
grauer Stoffhose und weißem Hemd, als ob er gleich ins Büro wollte.
    Frohloff stellte sie erneut vor,
was er mit einem kurzen Nicken quittierte. „Simon Grothe. Darf man fragen,
weswegen Sie hier sind?“
    Was für ein Unterschied zu seiner
Frau. Statt Besorgnis konnte Frohloff bei ihm nur Argwohn entdecken. Er fühlte,
wie sein kühler Blick ihn durchbohrte. Unangenehm.
    „Es ist Merle“, sagte Frau Grothe.
„Sie ist tot. Ich weiß es.“ Sie brach in Tränen aus und schlug sich die Hände
vors Gesicht.
    Wer jetzt erwartete, dass ihr Mann
tröstend an ihrer Seite stand, wurde enttäuscht. Frohloff meinte sogar zu
sehen, dass er seine Frau missbilligend musterte. Schämte er sich, dass sie
sich gehen ließ?
    Siewers spürte anscheinend, dass
sie jetzt eingreifen musste. Sie ging auf die Frau zu und nahm ihre Hand. „Es
tut uns wirklich leid. Wir haben ein Mädchen gefunden und wir müssen Sie fragen,
ob es sich dabei um Ihre Tochter handelt.“
    Frau Grothe wurde es schwindelig
und sie griff nach einem Stuhl hinter sich. Frohloff hatte sich noch gar nicht
umgesehen und nahm erst jetzt wahr, dass sie sich im Essbereich befanden, der
mit vier Tischen um einen rechteckigen, hellen Holztisch dekoriert war.   
    „Sollen wir mit Ihnen mitkommen?“
fragte Grothe nüchtern.
    „Wir haben ein Foto. Es wäre nett,
wenn Sie einen Blick darauf werfen könnten.“
    Er streckte die Hand danach aus.
Frohloff juckte es in den Fingern, es aus reiner Bosheit zunächst seiner Frau
zu geben, aber er hielt sich zurück. Wer wusste denn, wie es wirklich in dem
Mann aussah? Vielleicht versteckte er sich hinter seiner Rohheit, um nicht als
schwach dazustehen. Er holte das Foto aus seiner Jackentasche und reichte es
ihm.
    Grothe nahm es und warf einen
langen Blick darauf.
    „Und?“ rief seine Frau mit
brüchiger Stimme. „Ist sie es? Ist es meine Tochter? Mein kleines Mädchen?“
    Grothe sah hoch und gab Frohloff
das Bild zurück. „Nein. Das ist nicht Merle.“
    Frohloff fiel ein Stein vom Herzen
und konnte Siewers die Erleichterung ansehen. Frau Grothe brach schluchzend auf
einem Stuhl zusammen, während ihr Mann sie leidenschaftslos ansah. Frohloff
hätte ihn schütteln mögen. Was war mit dem Kerl bloß los? Hatte der keine
menschlichen Reaktionen parat?
    „Haben Sie eine Ahnung, wer das
Mädchen sein könnte?“
    „Woher soll ich das wissen?“
    Auch wieder wahr.
    Frau Grothe machte sich gerade und
wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. „Dürfte ich das Bild auch noch
mal sehen?“
    „Wozu?“ fragte ihr Mann. „Das
Mädchen hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit Merle.“
    Sie ignorierte ihn. „Bitte. Ich
will nur auf Nummer Sicher gehen.“
    Was für eine seltsame Formulierung.
Traute sie ihrem Mann nicht? Oder war es wirklich nur zu ihrer eigenen
Beruhigung? Aber warum nicht? Schaden konnte es ja nicht. Frohloff reichte ihr
das Bild.
    Sie musterte es eine Weile und gab
es ihm dann zurück. „Mein Mann hat Recht“, sagte sie erleichtert. „Sie ist zwar
auch blond, aber ansonsten ist da nicht viel Ähnlichkeit.“
    „Da es nicht unsere Tochter ist,
haben Sie noch andere Kandidaten?“
    Der Sarkasmus in Grothes Stimme war
beinahe greifbar. Frohloff hätte ihm am liebsten eine gedrückt.
    „Es tut mir leid, dass wir Sie zu
solch früher Stunde damit behelligt haben“, sagte er, ohne eine direkte Antwort
zu geben. Er gab Siewers ein Zeichen, die überrascht schien, dass er aufbrechen
wollte. Aber er hatte keine Lust, länger als unbedingt nötig mit diesem Mann in
einem Raum zu sein und er wollte auf keinen Fall irgendetwas über das andere
Mädchen verlauten lassen. Damit würden sie sich nur unnötigen Ärger einhandeln.
So wie er Grothe einschätzte, würde er sich womöglich über ihre Indiskretionen
beschweren.

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