Die Mädchen (German Edition)
würden? Und das, obwohl wir
noch kaum Fortschritte gemacht hatten? Wir hatten uns besser kennen gelernt,
das ja. Mittlerweile redeten wir über Gott und die Welt, sie hatte mir von
ihrem Zuhause und ihren Eltern berichtet, von den kleinen Alltagssorgen erzählt
und ich hatte ihr interessiert zugehört und hin und wieder eine Bemerkung dazu
gemacht. So dumm über mich selbst zuviel preiszugeben, war ich nicht, aber ihr
schien meine Reserviertheit diesbezüglich nichts auszumachen.
In der anderen Richtung jedoch
waren wir keinen Schritt voran gekommen. Sicher, wir hatten uns geküsst, aber
bislang hatte es nicht einmal eine Wiederholung gegeben. Es war fast so, als ob
wir jedes Mal von vorne beginnen mussten. Es machte mich schon ganz kribbelig,
weil ich nie wusste, wie weit ich gehen konnte und schließlich hatte ich noch
etwas ganz anderes im Sinn. Wenn es dazu noch kommen sollte, mussten wir uns
ranhalten. Ich zog die Augenbrauen hoch.
„Wie meinst du das?“
„Ich hab seit einiger Zeit einen
Job und die wollen, dass ich da noch etwas aufstocke. Das heißt, dass ich dann
nicht mehr so schnell weg kann.“
Einen Job? Davon hatte sie bisher
noch gar nichts erzählt. „So was wie Zeitungen austragen?“
„So was in der Art.“
„Und wie lange machst du das
schon?“
„Seit ein paar Monaten.“
Mehr wollte sie darüber nicht
sagen, so sehr ich auch versuchte, mehr aus ihr herauszubekommen. Und irgendwie
beschlich mich das Gefühl, dass der Job weit weniger mit Zeitungen austragen zu
tun hatte, als es mir gefallen hätte.
Sechstes Kapitel
Das Haus war nicht besonders groß,
aber sah hübsch aus. Es war ein mit roten Steinen verklinkertes Einfamilienhaus
mit einem dunkel gedeckten Dach. Vor den unteren Fenstern waren Außenjalousien
heruntergelassen. Direkt um das Haus befanden sich ein paar Beete mit Rosengewächsen,
die im Frühjahr und Sommer sicher viele Blüten trugen, und der Vorgarten bestand
aus einer Rasenfläche, die mit Raureif bedeckt war. In der Auffahrt stand ein
BMW, der aussah, als ob er nur zu Sonntagsfahrten genutzt wurde, die Scheiben
noch leicht befroren. Frohloff hielt am Straßenrand und zog den Zündschlüssel
ab. Aber er bewegte sich nicht, stattdessen strich er sich nachdenklich über
die Oberlippe.
„Da ist nichts mehr“, witzelte
Siewers neben ihm, doch am Klang ihrer Stimme konnte er erkennen, dass ihr
ebenso unwohl war wie ihm.
Er warf ihr einen Blick zu. „Wollen
wir?“
„Ungern, aber es bleibt uns wohl
nichts anderes übrig.“
Er hätte es auch lieber länger
hinausgezögert, aber wenn seine Tochter verschwunden wäre, hätte er auch so
schnell wie möglich Bescheid wissen wollen.
„Dann los.“
Er raffte sich hoch und stieg aus
dem Wagen. Siewers tat es ihm nach. Er schloss den Wagen ab und gemeinsam
gingen sie die kurze Auffahrt hoch, nicht ohne den BMW zu begutachten.
„Was meinst du? Ist der neu?“
Frohloff hob und senkte die
Schultern. „Sieht so aus. Aber lass dich davon nicht täuschen. Kann auch ein
Firmenwagen sein. Oder alles auf Pump.“
Siewers ließ ihre Augen über das
Grundstück und das Haus schweifen. „Die scheinen noch zu schlafen.“
Die Jalousien ließen keinen Spalt
erkennen und oben war in der Tat noch alles dunkel, was nicht automatisch
heißen musste, dass hier der Schlaf der Gerechten stattfand. Frohloff zumindest
wusste, dass er an der Stelle der Grothes kein Auge würde zumachen können. An
der Tür angekommen, sah er Siewers an, atmete einmal tief durch und drückte
dann den Klingelknopf.
Es dauerte keine zehn Sekunden, bis
die Tür aufgerissen wurde. Im Türrahmen stand eine Frau. Sie war in einen
rosafarbenen Bademantel gehüllt und sah aus, wie Frohloff vermutet hatte. Völlig
fertig. Die Haare hingen strähnig an ihrem Kopf hinunter. Sie war blass und
ihre Augen hatten Ränder, als hätte sie eine Woche keinen Schlaf bekommen.
Sie sah sie vor der Tür stehen und
verringerte unverzüglich den Spalt.
„Ja bitte? Wissen Sie, wie spät es
ist?“
Frohloff räusperte sich. „Frau
Grothe?“
„Wer möchte das wissen?“
Kein Wunder, dass sie feindselig
war. Wenn bei ihm jemand um halb sechs Uhr morgens klingeln würde, hätte er
ebenso reagiert.
„Oberkommissar Frohloff und das ist
meine Kollegin Kommissarin Siewers.“
Ihre Augen weiteten sich. „Mein
Gott, Merle.“
Sie machte einen Schritt rückwärts.
Frohloff hatte Angst, dass sie umfallen würde und griff geistesgegenwärtig nach
ihrem Arm. „Dürfen wir
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