Die Mädchen (German Edition)
vor allem für ihr Alter. Tiptop in
Schuss. Da gab es nichts, auch wenn er genau wusste, dass sie ihn nicht riechen
konnte.
Zoe sah dagegen eher aus wie eine
Kampflesbe, die es sich aufgrund ihres unattraktiven Äußeren zum Ziel gesetzt
hatte, kein gutes Haar an jeglichem Exemplar des männlichen Geschlechts zu
lassen. Zu Beginn hatte er sogar angenommen, dass die beiden Frauen tatsächlich
etwas miteinander hatten, denn immer wenn er Judith am Wochenende abholte, war
Zoe da. Doch wenn man Almut Keller näher kennen gelernt hatte, war klar, dass
das höchstens eine einseitige Liebesbeziehung sein konnte. Und vielleicht war
die gute Zoe auch einfach nur frustriert, weil sie niemals einen abkriegen
würde. Jedenfalls tat ihm Sinas Vater jetzt schon leid. Sicher war sie schon dabei,
den Polizisten ihr ganz spezielles Bild von ihm aufzuzeigen.
Er hörte, wie jemand die Tür
nebenan zuzog und erschrak, als die Tür zu Judiths Zimmer leise aufgemacht
wurde. Zoe schlüpfte, wenn man es bei ihren Körpermaßen so bezeichnen konnte,
durch die Tür und schloss sie hinter sich.
„Was zum Teufel…“, begann er.
Sie legte den Zeigefinder auf die
Lippen. „Sch! Oder willst du, dass die Polizei gleich rüberkommt?“
Er schüttelte stumm den Kopf.
Sie blickte verächtlich an ihm rauf
und runter. „Was hast du mit ihr gemacht?“
Er riss die Augen auf. „Was?“
„Sina. Sie ist tot.“
Was für eine Reaktion erwartete
sie? „Mein Gott!“
Sie winkte ab. „Lass den Scheiß.
Was hast du mit ihr gemacht?“
„Sind Sie irre? Ich hab doch damit
nichts zu tun.“ Es war schwer, dieses Gespräch mit gesenkter Stimme zu tun. Am
liebsten hätte er sie angebrüllt.
„Ich weiß nur, dass Sina erst
ausgeflippt ist, seit du auf der Bildfläche erschienen bist.“
Na super! Wofür sollte er noch
alles verantwortlich sein? „Ausgeflippt?“
„Spiel jetzt nicht den Dummen. Du
weißt verdammt genau, was ich meine.“
Er hob und senkte die Schultern.
„Ich bin mit Judith zusammen. Mit Sina hatte ich nichts zu tun. Sie war ein
Kind.“
„Das aussah wie siebzehn.“
„So einen Quatsch hör ich mir nicht
an.“
„Dann geh doch. Ich bin sicher,
Almut wäre entzückt, dich zu sehen. Und die beiden Kripoleute bestimmt auch.“
Die Alte war verrückt, anders
konnte er sich diesen Auftritt nicht erklären. Was wollte sie von ihm? Warum
sagte sie nicht gleich drüben Bescheid, dass er da war?
„Sie wissen schon, dass du hier
übernachtet hast.“ Konnte sie Gedanken lesen? „Dass du allerdings immer noch da
bist, hab ich ihnen nicht gesagt.“
„Woher wussten Sie, dass ich hier
bin?“
Sie pustete Luft durch die Lippen.
Kein schöner Anblick. „Ihr wart laut genug. Und im Gegensatz zu anderen blende
ich Dinge, die ich nicht wissen möchte, nicht aus. Außerdem kenne ich Judith
seit ihrer Geburt. Ich erkenne immer, wenn sie etwas zu verbergen hat.“
„Was soll das alles hier? Warum
gehen Sie nicht einfach wieder runter zu Ihrer Freundin? Was wollen Sie von
mir?“
„Ich will, dass du Judith in Ruhe
lässt.“
„Was geht Sie das an?“
„Du bist nicht gut für sie. Und ich
finde, Almut hat genug durchgemacht. Mir liegt viel an den beiden. Es ist
besser für alle, wenn du verschwindest.“
„Wenn Ihnen so viel an der Familie
liegt, warum wollen Sie dann so einen Deal mit mir machen, wenn Sie glauben,
dass ich Sina umgebracht habe?“
„Ich bin mir sicher, dass du etwas
damit zu tun hast. Aber ob du den Mord begangen hast…? Ich weiß nicht. Im
Grunde genommen bist du doch nur ein Sprücheklopfer, der keinen Arsch in der
Hose hat.“
Beleidigen konnte sie gut, aber er
ignorierte ihre Bemerkung. „Was ist, wenn ich mich weigere? Holen Sie gleich
die Polizei hier rein?“
„Das und außerdem erzähle ich ihnen
alles, was ich weiß.“
Er zog spöttisch die Augenbrauen
hoch. „Was kann das schon sein?“
„Du würdest dich wundern. Leg es
lieber nicht darauf an.“
Marius Keller war nicht
hundertprozentig bei der Sache, und seine Sprechstundenhilfe musste ihr Bestes
tun, damit er den Patienten, der auf dem Stuhl saß und eine neue Füllung in
einem Backenzahn oben rechts verpasst bekam, nicht verletzte. Ihm war das alles
egal. Er wäre auch gar nicht erst zur Arbeit gegangen, wenn er es nur zu Hause
ausgehalten hätte. Aber dieses ewige Warten auf einen Anruf hätte ihn völlig
verrückt gemacht. Er kannte sich gut genug, um zu wissen, dass er zwischen
Bangen und Hoffen die Wände rauf und runter
Weitere Kostenlose Bücher