Die Mädchen (German Edition)
auf.
„Was?“
„Sie ist gestern Abend nicht nach
Hause gekommen.“
„Ach du Scheiße.“
„Hast du eine Idee, wo sie sein
könnte?“
„Ich?“
„Ihr Vater wollte das wissen.“
„Woher soll ich wissen, wo Merle
ist?“
Auch wenn sie es Lars gegenüber nie
zugegeben hätte, war sie doch erleichtert, dass sich ihre Vermutung bestätigt
hatte. Rouven war zwar geübt, die Wahrheit zu seinen Gunsten zurechtzulegen,
die Erfahrung hatte sie in den letzten Monaten zur Genüge machen dürfen, aber
er konnte unmöglich in der Lage sein, so überzeugend den Ahnungslosen zu
spielen, vor allem wenn er gerade aus dem Schlaf gerissen worden war.
„Papa sagt, Merle und du, ihr
versteht euch nicht mehr so gut?“
Rouven wich ihrem Blick aus. „Na
ja, wir haben halt ganz andere Freunde mittlerweile.“
„Also habt ihr euch nicht
gestritten oder so?“
„Nein.“
„Mit wem hängt sie denn so herum?“
Rouven zuckte die Achseln. „Keine
Ahnung. Ich glaub mehr mit Älteren. Mama, ich wollte eigentlich noch ne Stunde
schlafen.“
„Ist gut, tut mir leid. Dann dös
mal noch ein bisschen.“
Sie zog die Tür wieder zu und ging
die Treppe hinunter. Sie seufzte in sich hinein. Warum musste sich alles
verändern, wenn die Kinder groß wurden? Warum blieb das Band zwischen Mutter
und Sohn nicht so eng? Warum vertraute Rouven ihr nicht mehr alles an so wie
früher? Sie war nicht blind, vor allem nicht seit der Sache mit dem gefälschten
Zeugnis. Sie hatte die Veränderung bei ihm bemerkt. Er hatte keine Ahnung, was
Merle vielleicht zugestoßen war, aber er wusste sehr wohl, warum er sich nicht
mehr mit ihr verstand. Und er wusste auch, mit wem sie sonst zusammen kam.
Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es da einen Zusammenhang gab. Wie auch
immer. Jedenfalls konnte sie Lars jetzt sagen, dass sie richtig gelegen hatte
und ihr Sohn Simon nicht hätte helfen können.
Nachdem Judith gegangen war, sprang
Bent sofort aus dem Bett. Und wurde prompt dafür bestraft. Ein stechender
Schmerz fuhr durch seine Rippen. Verdammt! Er sah sich die Stelle im Spiegel
an, den Judith neben ihrem Kleiderschrank aufgestellt hatte. Sie hatte Recht.
Es sah wirklich furchtbar aus und es fühlte sich auch so an. Zum wiederholten
Mal tastete er vorsichtig alles ab. Gebrochen schien nichts zu sein, aber
bekannterweise waren Prellungen oft viel schmerzhafter und das merkte er bei
jeder Berührung. Na, was sollte es? Da musste er jetzt durch. Wenn er erst mal
zu Hause war, würde er sich ein paar Pillen reinpfeifen und dann ging es schon.
Er warf sich sein T-Shirt über,
sprang in seine Jeans und drückte vorsichtig die Klinke herunter. Durch den
Türspalt hoffte er, etwas von dem mitzubekommen, was unten vor sich ging. Kein
Zweifel, da weinte jemand. Scheiße. Also gab es schlechte Nachrichten. Von
Sina, was auch sonst. Plötzlich schien ihm der Plan, bei Judith zu übernachten,
der in der Nacht noch so verlockend gewesen war, doch keine so gute Idee mehr
zu sein. Wenn das da unten die Polizei war, wie er vermutete, musste er
zusehen, dass er hier wegkam. Nur nicht unnötig auf sich aufmerksam machen.
Er schob die Tür wieder ran und
dachte einen Moment nach. Wie konnte er möglichst unbemerkt verschwinden? Nach
unten gehen, konnte er vergessen. Es blieb somit nur entweder hier oben einen
Weg nach draußen zu finden oder zu warten, bis die Polizei weg war und dann mit
Judiths Hilfe raus zu schleichen. Er warf einen Blick aus dem Fenster. Das Dach
sah nicht besonders viel versprechend aus. Es war recht steil und auch ziemlich
hoch. An der Regenrinne konnte er sich ja schlecht hinunterlassen und springen
kam nicht in Frage. Er hatte keine Lust, sich auch noch den Knöchel zu brechen.
Aber vielleicht war es leichter über den Balkon, der von Sinas Zimmer abging,
zumindest war es einen Versuch wert.
Er ging wieder zur Tür und
erstarrte, die Hand an der Klinke. Schritte auf der Treppe. Und es waren
mehrere. Sein Herz fing an zu schlagen, aber sie gingen an ihm vorbei.
„Das ist Sinas Zimmer“, hörte er
eine Frau sagen. Wem gehörte die denn? Es war nicht ihre Mutter. Und Birthe war
es auch nicht. Ach, bestimmt die bekloppte Freundin. Wie hieß die noch? Sumo?
Bent musste unwillkürlich grinsen. Nein, Zoe, obwohl Sumo echt gepasst hätte.
Wie Judiths Mutter an diese Freundin gekommen war, konnte er sich nicht
erklären. Die passten so was von überhaupt nicht zusammen. Mutter Keller war ne
geile Sau, würden seine Freunde sagen,
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