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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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neues Leben erst jetzt, da ich ein neues Leben geboren habe. Vielleicht war es das Kind, das ich Ferdinand geschenkt hatte, mit dem ich zum ersten Mal wirklich alles richtig gemacht hatte.
    Ich warf das letzte Laken über die Wäscheleine. Aus den Sträuchern tapste ein Kater heran. Schnurrend strich er mir um die Beine. Ich ging in die Knie und streichelte das Tier, dessen Auftauchen für mich einem Zeichen gleichkam. Wie eine kleine Familie , schoss es mir durch den Kopf.
    »Wie heißt du?«, fragte ich den Kater.
    Er maunzte.
    »Ich versteh’ dich nicht.«
    Er hockte sich hin und begann seine Vorderpfote zu lecken.
    »Ich nenne dich Eduard. So hieß mein Vater, weißt du das?«
    Der Kater hielt inne und sah mich mit großen Kulleraugen an.
    »Mein Vater war ein guter Mensch. In seiner Nähe war ich glücklich und –«
    »Mit wem redest du da?«, fragte Ferdinand.
    »Hier ist ein Kater«, antwortete ich. »Ich glaube, er gehört den Nachbarn.« Ich erhob mich und begab mich hinüber zu meinem Sohn und meinem Mann.
    »Ferdinand«, sagte ich, »ich glaube, es ist Zeit fürs …« Ich erstarrte. »Mein Gott, was tust du da?«
    Kapitel 42
    Laura empfand Erleichterung, als sie zurück ins Dorf ging.
    »Alles wird gut«, flüsterte sie und drückte ihren Sohn an sich. Sam wischte sich über das verweinte Gesicht. Er zitterte noch immer. Plötzlich wurde Laura wütend. Das alles hätte nicht passieren dürfen! Als sie das Haus ihrer Schwägerin betrat, platzte es aus ihr heraus: »Ich hab’ gedacht, Sam ist in guten Händen bei euch! Stattdessen war er im Wald. Gestern Abend. Vorhin. Warum? Er hat …«
    »Es tut mir leid«, erwiderte Renate kleinlaut, »meine Mutter ist eingeschlafen.«
    »Wie kann sie nur …?« Ihre eigene Stimme schrillte Laura in den Ohren. »Ich fass’ es nicht … Ich … Ich hätte niemals …« Vor ihren Augen tauchte das Bild des toten Mädchens auf. »Habt ihr eine Vorstellung, was er durchmacht?«
    Während Laura wütete, wurde ihr bewusst, dass sie nur ihr eigenes Versagen überspielte. Ihre Schwägerin oder deren Mutter trugen keine Schuld. Laura selbst war es gewesen, die ihre Kinder vernachlässigt hatte und mit der Erziehung überfordert war.
    »Tut mir leid«, wisperte sie beschämt und flüchtete ins Wohnzimmer. Sam kauerte neben Renates Mutter auf der Ledercouch und hielt ein Glas Cola in der Hand. Laura kniete sich vor ihn und nahm ihn in den Arm.
    »Mama«, brachte er mit erstickter Stimme hervor, »ist das wirklich nicht … Lisa gewesen?«
    »Nein, mein Schatz, nein.«
    Aber Lisa kann es beim nächsten Mal sein! , flüsterte eine Stimme in ihr. Sie zuckte zusammen, woraufhin Sams Cola über den Rand schwappte und auf die schwarze Ledercouch tropfte. Doch Renate verlor kein Wort darüber. Erneut schämte Laura sich für ihren Wutausbruch. »Ich glaube, es ist besser, wir gehen nach Hause.«
    »Das halte ich für keine gute Idee«, sagte Renate. Wahrscheinlich hatte sie recht. Bereits bei Lauras Rückkehr aus dem Wald war das Dorf kaum wiederzuerkennen gewesen. Die Nachricht von dem toten Mädchen hatte sich in Windeseile verbreitet und immer mehr Übertragungsfahrzeuge in den Ort gelockt. Die Reporter waren sofort auf Laura losgestürmt.
    Entmutigt sank sie aufs Sofa. Kurz darauf erhob sich Renates Mutter. »Ich mach’ euch erst einmal einen Tee.«
    Ich will keinen Tee, ich will wissen, wo Lisa ist , hätte Laura gerne geantwortet. Und dass dieser Wahnsinn endlich ein Ende hat.
    »Mama«, wisperte Sam.
    »Was ist, mein Schatz?«
    »Muss ich jetzt ins Heim?«
    Sie sah ihn entgeistert an. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Das hat Tante Renate gesagt.«
    Laura wechselte einen Blick mit ihrer Schwägerin, die mit den Schultern zuckte.
    »Ach, Sam!« Laura setzte sich neben ihn und strich ihm durch die Haare. »Nein, ganz sicher hat sie das nicht gesagt. Bestimmt hast du was falsch verstanden.«
    »Also kann ich jetzt wieder zu dir?«
    »Aber ja doch.« Sie hielt ihn ganz fest an sich gedrückt. »Du bleibst bei mir. Und bei Lisa. Alles wird gut, ganz bestimmt.« Und als würde es tatsächlich so werden, wenn sie es nur lange genug wiederholte, sagte sie erneut: »Alles wird gut.«
    Erleichtert schmiegte Sam sich an ihre Brust. Für einen Moment war alles wie früher. Doch dann sah er mit bangem Blick zu ihr auf. »Warum kommt Lisa dann nicht zurück? Sie hat es doch versprochen!«
    Stille folgte Lisas Worten. Schon dachte sie, ihr Verstand hätte ihr einen Streich

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