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Die Mädchenwiese

Die Mädchenwiese

Titel: Die Mädchenwiese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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aufeinander. Alles in ihr rebellierte. Trotzdem kroch sie vorwärts. Sie bewegte sich wie in Zeitlupe. Immer wieder legte sie Pausen ein. Dann fiel sie endlich auf die weichen Daunen. Die Matratze stank erbärmlich, aber das war ihr gleichgültig. Hier würde sie liegen bleiben. Sich nicht mehr fortbewegen. Sie konnte nicht einmal mehr weinen. Schritte hallten durch die Dunkelheit. Lisa blieb liegen. Dass sie nackt war, behagte ihr nicht. Aber im Grunde gab es nichts an ihr, was ihr Peiniger nicht schon gesehen und angefasst oder verletzt hatte.
    Die Glühbirne in ihrem Verlies flammte auf. Reflexartig schloss sie die Augen.
    Im nächsten Moment klirrten Schlüssel, und die Gittertür schwang auf. Er würde sie wieder schlagen. Foltern. Und diesem ganzen Alptraum endlich ein Ende bereiten. Doch stattdessen setzte er ein Tablett neben ihr ab. Als sich seine Schritte entfernten, wagte Lisa die Augen zu öffnen. Überrascht stellte sie fest, dass sie ihren Entführer sehen konnte. Der Sack war eingerissen. Direkt vor ihrem rechten Auge befand sich ein Schlitz, gerade groß genug, um einen Blick auf ihren Peiniger zu werfen. Er wandte ihr den Rücken zu, zudem stand die Zellentür weit offen. Jetzt , dachte Lisa.
    Aber sie war zu schwach. Sie würde keine zwei Meter weit kommen. Sie beobachtete, wie er ihren Topf in einen Eimer entleerte. Dann wandte er ihr sein Gesicht zu. Fast hätte sie einen Schrei ausgestoßen. Denn das, was sie da sah, konnte ihr Gehirn nicht verarbeiten. Das kann nicht sein! Das ist nicht wahr! Der Anblick schnürte ihr die Kehle zu.
    Im nächsten Moment verließ er die Zelle und verriegelte die Gittertür. Lisa liefen Tränen über die Wangen.
    »Hallo?«, fragte eine Stimme.
    Trotz der schlimmen Schmerzen fuhr Lisa hoch. »Silke?«
    Kapitel 41
    »Du bist schwanger!«, stellte Ferdinand am Abend von Mutters Beerdigung fest.
    Wie versteinert blieb ich in der Küche stehen. Meine Hände hielten den Kochtopf umklammert. Dessen Hitze versengte mir die Finger, aber ich bemerkte es nicht. Wohl aber, dass mein Schweigen bereits Antwort genug war.
    »Gut«, sagte mein Mann mit tonloser Stimme.
    Noch während ich überlegte, wie er von meiner Schwangerschaft erfahren hatte – ich weiß es bis heute nicht –, wurde mir abrupt klar, dass ich nicht von ihm fortgehen würde. Vielleicht hielt mich noch immer die Scham davon ab, jetzt mehr denn je. Oder es war die Angst, ein Kind alleine ohne seinen Vater aufziehen zu müssen. Ich konnte es einfach nicht.
    »Du gehst nicht mehr in die Bäckerei arbeiten«, beschloss Ferdinand.
    Ich setzte zu einer Antwort an, brachte aber keinen Ton hervor, weil sich Ferdinands Blick veränderte.
    »Du musst dich schonen.«
    War es Milde? Ich wollte es gerne glauben, so wie ich auch glauben wollte, dass er sich über das Baby freute. Denn seine Wut, das wissen Sie ja längst, seine Wut äußerte er anders.
    Und tatsächlich, er vergriff sich nicht mehr an mir. Außerdem erledigte er fortan unsere Haushaltseinkäufe. Er schlachtete die Hühner und bewahrte mich davor, nach draußen in die klirrende Winterkälte zu gehen. Er beschaffte mir Umstandskleider aus der Stadt. Den freien Raum im ersten Stock gestaltete er zu einem Kinderzimmer um. Er tapezierte die Wände in Weiß und kaufte eine Holzwiege.
    »Was hältst du davon?«
    Ich traute meinen Ohren kaum. Er hatte mich nach meiner Meinung gefragt.
    »Ja«, antwortete ich, noch immer verblüfft, während ich über meinen Kugelbauch streichelte. »Das gefällt mir.«
    »Gut.«
    Ich fühlte mich wie in einem Traum. Oder wie im wirklichen Leben, das dem Erwachen aus einem Alptraum folgte. Es gab Tage, da wünschte ich mir, die Schwangerschaft würde niemals enden.
    Als meine Wehen einsetzten, raste Ferdinand mit mir ins Krankenhaus. Die Entbindung dauerte sechs Stunden, danach hielt ich einen properen Jungen im Arm.
    Dieses verletzliche Lebewesen erfüllte mich mit unglaublichem Stolz und Glück – und einer Liebe, wie ich sie nie zuvor empfunden hatte. Einer Liebe, die zugleich auch Hoffnung bedeutete.
    Ferdinand strahlte beim Anblick des Kleinen wie bei unserem ersten Rendezvous.
    Am Nachmittag nach meiner Heimkehr aus dem Hospital hängte ich die Wäsche zum Trocknen auf die Leine im Garten. Mein Mann saß auf der Holzbank, das Neugeborene auf seinem Schoß.
    »Mein Sohn«, sagte Ferdinand und lachte so ausgelassen, wie ich es noch nie zuvor bei ihm gehört hatte.
    Vielleicht , dachte ich in diesem Moment, beginnt mein

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