Die Mädchenwiese
gesprochen?«
Sie strich sich das regennasse Haar aus dem Gesicht. Zugleich wünschte sie, sie könnte die Panik, die sie erst vor wenigen Minuten endlich bezwungen glaubte, ebenso leicht wieder fortwischen. »Über seinen Fall … vor drei Jahren … und …«
»Was genau hat er dir gesagt?«
»Ich weiß nicht.« Ihr schwirrte der Kopf. »Nichts, was … was …« Auf der Straße brach ein Tumult aus. Mit Blaulicht schob sich das Einsatzfahrzeug durch die hektische Reportermeute. Laura erhaschte einen kurzen Blick in den Fond und auf Alex’ blasses Gesicht. »Ist er …« Sie brachte die Worte nicht über die Lippen. »Hat er … hat er Lisa …«
»Dazu kann ich im Augenblick nichts sagen.«
»Kannst du nicht? Oder darfst du nicht? Hat dir dieser Schulze wieder den Mund verboten?«
»Laura, das ist lächerlich.«
»Dann sag mir, was das alles soll. Hat Lindner Lisa … und diese Mädchen … Hat er sie entführt?«
»Es gibt einiges, was den Verdacht erhärtet.«
Entsetzen überkam Laura so abrupt, dass sie sich an der Häuserwand abstützen musste. Ich werde alles daransetzen, dass sie deiner Tochter kein Haar krümmt. Das verspreche ich dir! , hallte Alex’ Stimme durch ihren Verstand. Sie hatte Alex vertraut und ihre Hoffnung in ihn gesetzt. Jetzt war er festgenommen. Wegen Mordes. Wegen des Verdachts der Entführung.
»Und wo ist Lisa? Weißt du, wo sie ist?«
»Wir werden sie finden, rechtzeitig, da bin ich mir sicher. Und jetzt komm. Ich bring’ euch heim.« Weil sie nicht sofort reagierte, schob Frank sie und Sam zu einem zweiten Polizeifahrzeug. Obwohl es nur wenige hundert Meter bis zum Grundstück waren, fuhr er sie nach Hause. »Ich habe zwei meiner Beamten vor deiner Tür postiert, das sollte die Journalisten auf Abstand halten.«
Laura fühlte sich wie in einem Alptraum, der immer furchterregender wurde, ohne dass sie etwas dagegen ausrichten konnte. Das war wahrscheinlich das Schlimmste von allem – dieses lähmende Gefühl der Machtlosigkeit.
»Bleib bitte zu Hause«, sagte Frank, nachdem er sie in ihr Haus begleitet hatte. »Kümmere dich um Sam. Ich schicke Renate zu dir rüber. Sie wird dir helfen. Und sobald ich etwas weiß, melde ich mich.«
»Mama?« Sam stand auf der Treppe. Er war klitschnass.
Sie half ihm beim Entkleiden und rubbelte mit einem Handtuch seine Haare trocken. Nachdem er seinen Schlafanzug angezogen hatte, brachte er einen Teddybären aus seinem Rucksack zum Vorschein.
»Das ist doch Mr Zett«, rief Laura erstaunt.
Ihr Sohn zuckte zusammen.
»Woher hast du ihn?«
»In Lisas Zimmer gefunden.«
»Wie lange hast du ihn schon?«
»Seit gestern. Vorgestern. Ich weiß nicht.«
»Den hätte Lisa niemals zurückgelassen, wenn sie abgehauen wäre. Da bin ich mir sicher.«
»Ja«, sagte Sam.
»Du hättest ihn mir zeigen müssen. Sam, das wäre wichtig gewesen!«
Er starrte sie an.
»Ist da noch etwas, was du gefunden hast? Oder weißt?«
Seine Augen flackerten.
»Überleg genau!«
Er schüttelte den Kopf.
»Egal was, Sam …«
Sein Kopfschütteln wurde zaghafter.
»Versuch dich bitte zu erinnern.«
Er bewegte sich nicht.
»Sam, verflixt noch mal, es ist wirklich wichtig!«
Er drehte das Gesicht von ihr weg. Laura fluchte über sich selbst. Ihn anzuschreien machte die Sache nicht besser. Sie fühlte sich nur schlechter. Denn sie selbst war es, die sich hatte täuschen lassen. Von Alex Lindner! Verzweiflung trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie wollte Sam in den Arm nehmen, doch er drehte sich von ihr weg.
»Es tut mir leid«, sagte sie leise.
Er raffte die Decke über seinen Kopf. Regen trommelte gegen die Fensterscheibe, ein Geräusch wie von kleinen Fingern, die gegen das Glas klopften, die um Hilfe flehten. Laura fröstelte.
Lisa krümmte sich am Waldboden. Der Wind trieb heulend den Regen über sie hinweg. Ansonsten geschah nichts. Sogar der Schmerz, den der Schlag hätte hinterlassen müssen, verklang so schnell, wie er gekommen war. Verwundert öffnete sie die Augen. Im gleichen Moment zuckte ein Blitz über den Himmel und erhellte einen Baum, der sich mit knochigen Ästen dem Sturm beugte. Es war nur ein Ast, der sie erwischt hatte. Lisa lachte und rieb sich den Matsch aus dem Gesicht. Dabei stellte sie fest, dass ihre Finger noch immer das Kleid umklammert hielten. Sie streifte es sich über den Kopf. Es war ihr zwei Nummern zu groß, und es half kaum gegen die Kälte, trotzdem war es besser, als nackt zu sein. Mit den Händen
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