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Die Maenner vom Meer - Roman

Titel: Die Maenner vom Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Hansen
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etwas betrogen, auf das sein Haß Anspruch erhob. Sein Haß wollte nicht, daß Vagn in einer Felsspalte erfror. Sein Haß verlangte, daß er ihn tötete. Sein Haß holte ihn zurück. Unterhalb des Trichterrands verließen Vagn die Kräfte. Sein Fuß glitt von einer Sprosse ab, und nun rutschte Vagn, sich mit beiden Händen an die Seile klammernd, nach unten. Er fiel rücklings auf den Felsboden und brüllte vor Schmerz. Im Trichter verbreitete sich der eklige Geruch versengten Fleisches. In diesem Augenblick wußte sich Björn mit den Göttern im Bunde; sie hatten ihm Vagn ausgeliefert.
    Später drehte der Wind auf Süden und brachte anderes Wetter.Zwischen den Wolken zeigten sich kleine Splitter blauen Himmels, die Sonne brach durch, und ein Schwall dumpfiger Wärme kroch in den Trichter hinab. Einige meinten, wenn dieses Wetter noch länger anhalte, könne es Egbert und seinen Gefährten vielleicht doch gelingen, besiedeltes Gebiet zu erreichen, und Gunne Seehundsfloh bat Thormod zu erwägen, ob man sich ihnen nicht anschließen sollte. Aber dieser hüllte sich in Schweigen. Am Abend drehte der Wind abermals, und nun brach ein Unwetter über sie herein, wie sie es bis dahin noch nicht erlebt hatten. Es wurde stockfinster, das Eis drang mit vielstimmigem Kreischen durch den Spalt in den Trichter, und von oben stürzten große Schneeklumpen mit solcher Wucht auf das Schiffshaus, daß es wie bei starkem Seegang zu schaukeln begann.
    In der Nacht wurden sie durch Rufe geweckt. Drei von Eis und Schnee verkrustete Gestalten taumelten in die Hütte. An ihren Stimmen konnten sie erkennen, daß es Egbert, Ketil Nase und Tosti Einauge waren. Sie schälten sie aus ihren steifgefrorenen Kleidern, rieben ihre Körper mit Schnee ab, wuschen sie mit heißem Wasser. Als sie sich soweit erholt hatten, daß sie wieder zusammenhängende Sätze sprechen konnten, erzählten sie, daß sie dank des günstigen Wetters ein gutes Stück vorangekommen seien. Sie hätten sogar ihren Hunger stillen können, denn in einer Schlucht hätten sie ein verendetes Rentier gefunden, dessen Fleisch noch genießbar gewesen sei. Dann jedoch habe Tosti Einauge das herannahende Unwetter gewittert, und kurz darauf hätten sie eine schwarze Wolkenwand bemerkt, die wie eine riesige Woge auf sie zugekommen sei. Sie hätten sich in einer Felsspalte verkrochen, und was dann geschehen sei, lasse sich mit Worten nicht beschreiben. Außer Egbert hätten alle geglaubt, über ihnen tobe die Ragnarök, die letzte große Schlacht zwischen den Göttern und den Riesen. Obwohl sie sich mit Händen und Füßen am Boden festgekrallt hätten, seien zwei von ihnen fortgerissen und gegen eine Felswand geschleudert worden. Als der Schneesturm etwas nachgelassen habe, hätten sie beschlossen, auf dem kürzesten Wege zurückzukehren, aber dasUnwetter habe die Felslandschaft in einen Wald aus Eis verwandelt. Stundenlang seien sie bei nun wieder einsetzendem Schneesturm in ihm umhergeirrt. Dann habe Olaf Dorschbeißer plötzlich zu lachen begonnen und gesagt, all dies sei ein Schabernack, den ihnen die Unterirdischen spielten, er aber lasse sich nicht länger von ihnen narren, denn er wisse jetzt genau, in welche Richtung sie gehen müßten, um auf Menschen zu treffen. Sie hätten ihn zurückzuhalten versucht, aber er habe ihnen vergnügt auf die Schulter geklopft und sei im Schneetreiben verschwunden. Nun seien sie nur noch zu dritt gewesen, und daß sie lebend zurückgekehrt seien, verdankten sie allein Tosti Einauges guter Nase.
    »Was würdet ihr an meiner Stelle mit einem Mann tun, der schuld daran ist, daß ich drei meiner Männer verloren habe?« fragte Thormod jene, die bei ihm geblieben waren.
    »Laß mich mit ihm vor die Tür gehen«, grinste Hemmo der Kurze. »Ich verspreche dir, daß nur einer von uns beiden wieder hereinkommen wird.«
    Thormod dachte eine Weile nach. Dann sagte er: »Von einem toten Mann kann ich nicht verlangen, daß er für drei arbeitet und für sich selbst noch dazu.« Mehr wurde darüber nicht gesprochen.
    Das Unwetter dauerte mehrere Tage lang an. Über den Trichterrand schoben sich Schneewächten, die ihre wulstigen weißen Zungen tief herabhängen ließen. Zuweilen brach eine von ihnen ab und zerbarst mit lautem Knall auf dem Grund des Trichters. Aus Angst, unter den herabstürzenden Schneemassen begraben zu werden, wagten sich die Männer nicht mehr ins Freie. Ihre Nahrung bestand nur noch aus Stockfisch, und der Fellsack, auf dem Hemmo

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