Die Maetresse bis Martini
und ihrem Ehemann. Das lag vielleicht auch daran, dass sie weniger essen konnte und tagsüber fast nur lag. Mit Erleichterung sah Anna diese Entwicklung und betete für ein gesundes Kind. Mit der Schwangerschaft atmete Hochheim auf, denn die Dynastie war fast gesichert. Selbst Friedhelm wurde umgänglicher und verbrachte einige Stunden bei seiner Schwägerin, obwohl diese kein Wort Französisch verstand und die Kultur als barbarisch abtat.
Jede Woche wurde Barbara in einer pompösen Zeremonie von den Hofärzten untersucht, die so den ersehnten Erben sicherstellen wollten. Auch in Barbara hatte sich eine Veränderung vollzogen. Sie war nicht mehr die ungeliebte Schwiegertochter, sondern die Mutter des zukünftigen Erbens. Aufgrund der Übelkeit, die sich meist bis in die frühen Abendstunden hinzog, musste sie auf ihren gewohnten Tagesablauf verzichten und stellte sich auf lange Monate des Liegens ein.
Als der Sommer begann und die ersten kurzen Hitzewellen die Reichsritterschaft streiften, zerstreute sich die Hofgesellschaft. Die jüngeren suchten kühlere Gebiete auf, während die älteren jeden Schatten im Garten nutzten. Fürstin Antonia begab sich mit Friedhelm auf eine ausgiebige Bädertour, während Anna an Friedrichs Seite blieb. Was sie befürchtet hatte, war schließlich eingetreten: Sie hatte in ihrem hohen Alter wieder ein Kind empfangen. Zuerst wollte sie eine Hebamme aufsuchen und das Kind loswerden. Dann überlegte sie es sich anders. Warum sollte sie darauf verzichten? Wenn alles gut verlief, hatte sie neben drei erwachsenen Söhnen aus erster Ehe und einem Sohn mit Friedrich vielleicht ein kleines Mädchen, das sie sich schon immer gewünscht hatte. Bisher waren drei Mädchen tot geboren worden. Es wäre die Erfüllung ihres Traumes! Außerdem wurde Friedrich jedes Jahr ruhiger. Theresa, die er noch vor einem Jahr leidenschaftlich geliebt hatte – sie vermutete eher seine Angst vor schwindender Manneskraft dahinter – war im Frühjahr an einer Erkältung gestorben und hatte so den Platz wieder für sie freigemacht.
Mit einem rosigen Teint und einem bezaubernden Lächeln auf den Lippen betrat Anna leise die Bibliothek, in der sie Friedrich vermutete. Das war auch an heißen Sommertagen der liebste Ort, um dort seinen Gedanken nachzuhängen. Er saß in seinem Sessel, mit einer Zigarre und einem Glas Wein in den Händen. Das Leinenhemd stand am Kragen offen und sie errötete, als sie daran dachte, wie draufgängerisch er sie vor drei Tagen im Stall geliebt hatte. Trotz seiner knapp fünfzig Jahre war er immer noch ein Mann.
„Meine Teuerste“, begrüßte er sie schmunzelnd. „Es muss schon etwas Besonderes sein, dass du mich hier aufsuchst. Darf ich raten?“
„Ja, gerne.“ Anna stellte sich kokett vor ihn hin. Er käme im Leben nicht hinter ihr Geheimnis!
„Du willst ein Landgut an der Grenze zum Würzburger Gebiet, damit du schneller einkaufen kannst.“
„Nein.“
„Du willst, dass ich dich auf eine ausgedehnte Reise nach Frankreich mitnehme. Dort gibt es die schönsten Stoffe und das beste Essen.“
„Das ist auch falsch.“
„Hm“, machte Friedrich und nahm einen Schluck Wein. Es war schwer, ihren Gesichtsausdruck zu deuten. Denn Anna hatte ihn immer wieder überrascht. „Dir geht es gut, du begehrst mich noch immer, du hast alles zum Leben. Ich denke, du hättest gerne ein neues Schmuckstück für deinen Hals.“ Anna liebte schöne Ketten!
„Friedrich, mein Liebster, du liegst völlig falsch.“ Jetzt trat sie zu ihm und meinte keck: „Du wirst es kaum glauben, aber ich erwarte ein Kind von dir.“
„Nein“, entfuhr es ihm, „das ist doch unmöglich!“ Verblüfft tunkte er seine Zigarre in das Weinglas und stellte es rasch auf den Boden. „Du kriegst noch ein Kind?“
„Ja“, strahlte sie.
„Das ist herrlich!“ Mit einem Satz war sie bei ihm und schwang sie wie ein junges Ding durch den Raum.
Ebenfalls aus der Fassung trat Karl hinter dem Regal hervor und sah seinem Vater zu, der seine Favoritin mit Küssen überschüttete und ihn völlig vergessen hatte. In so einer Situation hätte er das sicher auch, dachte er mit einem Anflug von Neid. Anna war 44 Jahre alt und weit über das Alter hinaus, in dem sie ohne Schwierigkeiten empfing. In ein paar Monaten hätte er ein Geschwisterchen, das jünger als sein Kind wäre. Welch eine Ironie! Aber Annas Gesicht war eine Offenbarung. Sie strahlte heller als sie Sonne und war doch wie immer. Wenn seine Katharina nur
Weitere Kostenlose Bücher