Die Maetresse bis Martini
unlösbar! Traurig und mit einer tiefen Wunde in seiner Seele rückte er den Sessel vor das Fenster und setzte sich hinein, so dass er auf ihr Bett sehen konnte. Noch einmal wollte er in Gedanken ihre gemeinsame Zeit passieren lassen und sich an ihre Leidenschaft erinnern. Wie sehr hatte sie es genossen, wenn er ihr etwas vorgelesen hatte. Sie hatten stundenlang über Religion und Rechte diskutiert, Gärten geplant und Wasserspiele entworfen. Sie träumte von einem warmen Becken, in dem sie schwimmen konnte. Er wollte tausend Statuen aufstellen, die nachts beleuchtet wurden. Blumenbeete in allen Farben hatten sie sich ausgemalt und Laubengänge, so weit das Auge reichte. Schließlich hatte er sie in den Arm genommen und sie geküsst, bis sie sich so an ihn schmiegte, dass ihre Körper zu einem verschmolzen und er meinte, sich in ihr wie in einer Blumenwiese zu verlieren. Sie hatte so gut gerochen, weil sie frisch gebadet hatte, und ihn aufgezogen, dass er sich rasieren sollte. Der Duft – das Stückchen Seife, das er ihr als erstes Geschenk überreicht hatte. Wo war es?
Karl stand auf und sah nach der Wanne. Auf dem Rand gab es eine Vertiefung für die Seife. Sie war leer! Katharina hatte ein Stück Seife mitgenommen? Ungewöhnlich, aber das passte zu ihr.
Weiter!, dachte er. Jetzt versetz dich in ihre Lage! Was hättest du mitgenommen? Ein Stück Seife, das erste Geschenk, und etwas Kostbares, was er mir gegeben hat. Ein Schmuckstück! Natürlich! Karl schlug sich an die Stirn! Wie hatte er so dumm sein können! Natürlich hatte sie etwas mitgenommen, was sie später auch noch tragen konnte. Richtig! Als er ihr Schmuckkästchen aufklappte und durchsah, fehlte die Kette mit dem großen Anhänger, der in den schönsten Grüntönen leuchtete. Damit hatte er sie überrascht und sie hatte die Kette gern getragen. Mehr hatte sie wohl nicht mitgenommen, weil es sonst aufgefallen wäre. Vielleicht hatte sie einen kleinen Korb dabei gehabt, als ob sie einen Besuch machte. Darin war bestimmt ihr Nadelkissen. Als er im Studierzimmer ihr Nähkästchen öffnete, fehlte die alte Nadelmappe, an der sie trotz ihrer Zerschlissenheit festgehalten hatte.
Karl war stolz auf sich, dass er endlich wusste, wie sie unauffällig aus dem Schloss gekommen war und was sie mitgenommen hatte. Offenbar hatte jemand auf sie gewartet. Denn sonst hätte sie ein Pferd genommen und wäre davon geritten. Wen kannte sie so gut, dass er ihr bei der Flucht helfen konnte?
Nach etwas Grübeln fiel ihm nur der Schäfer Jochem ein, ihr ältester Freund. Sofort ließ Karl sein Pferd satteln und ritt los. Wenn er Katharina finden konnte, dann sofort. Zu seiner Erleichterung war die Hütte des Schäfers bewohnt und er wurde gastfreundlich von Gabriele empfangen. Sie legte ihm ihr Kind in den Arm und rief ihren Mann, der aus dem Stall in die Stube kam.
„Euer Gnaden?“ Der Schäfer war sehr vorsichtig.
Doch Karl war sich sicher, dass er etwas wusste. „Das ist deine Tochter?“
„Ja, das ist Henriette. Was wollt ihr?“
„Ich will wissen, wo Katharina ist. Ihr habt ihr bei der Flucht geholfen.“
Jochem sah ihn lange an und kratzte sich am Kinnbart. „Das geht nicht.“
„Warum nicht? Sagt mir, wo sie ist, und ich hole sie selber zurück.“
Jochem nahm ihm das Kind ab. „Auch wenn ihr gleich toben werdet und meine Familie darunter leidet, ich sage nichts. Ich habe ihr versprochen zu schweigen.“
Kapitel 12
Fassungslos taumelte Karl aus der Hütte des Schäfers. Seine einzige Hoffnung war dahin. Tränenblind schwang er sich aufs Pferd und ließ sich nach Hause tragen. Sein Leben war zu Ende. Katharina kannte ihn gut und hatte vorgesorgt, dass er sie nicht fand.
Im Schloss erwartete ihn der zweite Tiefschlag des Tages: Barbara war schwanger. Während die Hofgesellschaft jubelte, wurde ihm schlecht und er zog sich mit einer Flasche Wein in den Garten zurück. Als er ziellos umhergelaufen war, stand er plötzlich vor der Statue der Jagdgöttin und stellte fest, dass sie irgendwie seiner flüchtigen Mätresse glich. Zu ihren Füßen legte er sich nieder und gab sich dem Wein hin. Der rumorte zuerst im Magen, dann betäubte der Alkohol seine Sinne und die Welt erschien ihm heiter durch den Schleier des Vergessens. Sollten sie ihn ruhig erst in drei Tagen finden!
Doch Franz holte ihn unbarmherzig in das wirkliche Leben zurück. In den nächsten Wochen besserte sich das Verhältnis zwischen Barbara
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