Die Maetresse des Kaisers
nur in ihren zweifellos raffinierten Liebeskünsten, sondern auch in ihrer Fähigkeit, wie ein Mann zu denken. Aber das behielt sie vorerst für sich.
Zamira legte die dritte Dattel wieder zurück in die Messingschale und rief ihre Dienerin, die sie in den Garten begleiten sollte. Die Sonne stand bereits hinter den hohen Palastmauern, keine Gefahr also, ihre getönte Haut noch eine Nuance dunkler zu färben.
»Herrin«, sagte die Sklavin, »Ihr habt nach mir gerufen.«
»Begleite mich in den Garten. Und nimm die Früchte mit. Ich mag sie nicht mehr.«
Die Sklavin stammte aus der Steppe westlich des Nils und hatte einen tiefschwarzen Teint. Ihre Haut, vor allem die auf den Wangenknochen, war mit Narben verziert, so dass sie wie die Granulierung eines Goldschmucks wirkte. Die Wächter des Harems hatten sie auf dem Markt in Damiette gekauft, wohin sie von Händlern, die ihren Stamm überfallen hatten, verschleppt worden war. Sie hatte ihre Freiheit und ihre Würde verloren, doch in ihren Augen spiegelte sich immer noch der Stolz ihres Nomadenvolkes.
Zamira erhob sich und drapierte ihren Rock so, dass er in perfekten Falten fiel.
»Wie sehe ich aus?«
»Wie immer wunderschön, Herrin. Keine Frau in diesem Harem kann sich mit Euch messen.«
»Ach, Azoula, es ist meine Pflicht, schön zu sein.«
»Schönheit ist ein Geschenk Allahs, Herrin. Seid dankbar für Eure reizende Gestalt.«
»Du hast recht, es macht das Leben leichter. Deines übrigens auch. Die Sklavinnen der Favoritin des Sultans stehen über allen anderen.«
»Ich weiß, und ich danke Allah für seine Güte.«
Die beiden Frauen wechselten einen Blick, und Zamira erkannte, dass auch ihre Sklavin Azoula sich darauf verstand, ihre wahren Gefühle zu tarnen. Aus ihren Augen hatte einen Moment lang die Freiheitsliebe des Steppenvolkes geblitzt, doch unmittelbar darauf war Azoula wieder zu einer Gefangenen geworden, die voller Demut ihr Schicksal annahm.
»Wie viel Zeit bleibt uns, bis der Sultan kommt?«, fragte Zamira und ging damit zum wichtigsten Thema des anbrechenden Abends über.
»Wenig«, antwortete die Sklavin. »Es wäre besser, Ihr haltet Euch bereit.«
»Komm, Azoula, die Luft ist herrlich. Zu dieser Stunde gibt es keinen schöneren Platz als den Garten.«
Zamira schlenderte zu einem farbenfrohen Baldachin und ließ sich auf einem Seidenkissen nieder. Von hier aus hatte sie einen ungehinderten Blick auf einen Teich mit Lotusblüten und eine sprudelnde Quelle, die künstlich gespeist wurde. Es gab verschiedene Gärten in der gesamten Palastanlage, doch dieser hier gehörte zum Harem und war deshalb ausschließlich den Frauen vorbehalten.
Mit seinen zahlreichen Blumen und blühenden Sträuchern war er der fröhlichste von allen und der, der am ehesten dem Vorbild des Paradieses gleichkam. Wasser floss in ihm im Übermaß, ein Zeichen von Reichtum und Luxus in einem Land der Trockenheit. In ihm blühten Tulpen aus Persien, süß duftender Jasmin, Palmen, Nelken in den schönsten Schattierungen von Blutrot bis Schneeweiß, Hyazinthen und Mandelbäume, zarte Rosen in cremigem Beige und hohe Zypressen. Es wuchsen so würzige Kräuter, dass die Luft nach ihnen zu schmecken schien, und das Gras auf dem Boden war so grün wie der dunkelste Smaragd.
Zamira liebte dieses kleine Paradies und die Vögel, die in ihm sangen. Nirgendwo fühlte sie sich so unbeschwert wie hier. Der Garten des Harems war ein Hort der Heiterkeit, und selbst die Sklavinnen vergaßen eine kleine Weile, was man ihnen angetan hatte.
Wenn Zamira den Kopf nach hinten lehnte, konnte sie den Himmel sehen, ein perfektes Blau ohne Mauern. Niemals würde sie diesen Garten verlassen können – und sie wollte es auch gar nicht. Denn auch wenn ihr der Gedanke, für den Sultan nicht mehr schön genug zu sein, Angst einjagte, noch größere Furcht hatte sie vor der Welt außerhalb ihres Gartens. Sie wollte sie zwar einmal sehen, aber nicht auf Dauer in ihr leben.
»Herrin, es ist Zeit«, unterbrach Azoula ihre Gedanken. »Der Sultan wird bald nach Euch verlangen.«
Zamira stand auf und ging zurück in ihre Gemächer, deren Pracht den Räumen der Gemahlin des Sultans durchaus gleichkam. Noch einmal nahm sie ihre glänzende Bronzescheibe und kontrollierte mit einem kritischen Blick ihre Augen und ihren Mund. Sultan al-Kamil Muhammad al-Malik, mächtigster Herrscher des Vorderen Orients, umgab sich nur mit makellosen Dingen – und diese Maxime galt auch für die Frauen, die er in
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