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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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begegnete? Sollte sie es wagen, die Haupttreppe zu benutzen, wo sie auf jeden Fall die Aufmerksamkeit von Mr Arnold erregen würde, der an der Vordertür stand, nicht weit vom unteren Ende der Treppe?
    Sie wartete, bis der Ball in vollem Gange war, in der Hoffnung, die Gastgeber und Diener wären dann zu beschäftigt, um zu merken, dass ein weiterer Gast die Treppe herunterkam und sich ins Gewühl stürzte. Mit heftig klopfendem Herzen, zitternden Händen und schwa­ chen Knien hob sie anmutig den Saum ihres Kleides an und schritt so hoheitsvoll wie möglich die Haupttreppe hinunter. Musik, Lachen und Gesprächsfetzen drangen zu ihr hinauf. Fröhliche Laute. Warum nur fühlte sie sich, als sei sie auf dem Weg zu ihrer eigenen Hinrichtung? Plötzlich kam ihr die Marie-Antoinette-Perücke wie ein böses Omen vor.
    Als sie den untersten Treppenabsatz erreichte, blickte Mr Arnold von seinem Platz neben der Tür auf, doch wenn er überrascht war, sie zu sehen, gab sein unbewegtes Gesicht es nicht preis.
    Sie sagte hochmütig: »Ich suche das Ankleidezimmer der Damen.«
    »Das Morgenzimmer ist heute Abend für die Damen reserviert.« Er deutete auf die andere Seite der Halle. »Erste Tür links.«
    Sie neigte den Kopf, ohne zu antworten, hielt weiterhin hochnäsig das Kinn angehoben und blickte den Diener nicht an, wie sie es von früher gewohnt war.
    Mr Arnolds Augen zeigten nicht den leisesten Hinweis, dass er sie erkannt hatte. Aber würde sie es ihm überhaupt anmerken? Der Mann versah seinen Dienst mit absoluter Professionalität – wenn sie im Unterhemd die Treppe heruntergekommen wäre, hätte er sie mit der gleichen Gelassenheit behandelt.
    Um keinen Verdacht zu erregen, ging sie ins Morgenzimmer. Dort traf sie auf zwei kichernde Debütantinnen und eine ältere Frau, um die eine Zofe herumflatterte. Diese versuchte, eine Perücke auf dem Kopf ihrer Herrin zu fixieren, die der von Margaret sehr ähnlich sah und gerade herunterzurutschen drohte. Dann sah Margaret Barbara Lyons und zögerte unmerklich; Miss Lyons stand vor einem der drei großen Standspiegel, tief ins Gespräch mit einer anderen Frau vertieft, die Margaret nicht kannte.
    »Nein!«, zischte die Frau. »Du meinst, er hat tatsächlich eure Beziehung beendet?«, fragte sie ungläubig.
    Barbara nickte.
    Margaret trat vor einen anderen Standspiegel, den sie heute Nachmittag eigenhändig hierhergeschleppt und poliert hatte, und tat so, als prüfe sie ihre Erscheinung.
    »Aber warum denn nur?«, flüsterte die Frau. »Wegen – du weißt schon wem ?«
    Barbara zuckte die Achseln und richtete die Blume, die sie im Haar trug. »Ich habe Piers gesagt, dass ich nur mit Lewis flirte und dass es nichts zu bedeuten hat. Aber ich konnte ihn nicht umstimmen.«
    Interessant , dachte Margaret. Bedeutete das, dass Miss Lyons nicht die Frau war, bei der Lewis die Nächte verbrachte?
    Margaret rückte ihre Maske noch ein letztes Mal zurecht, zog ihre Handschuhe noch ein wenig höher, holte tief Luft und ging zurück in die Halle. Sie schritt über den Marmorfußboden, das Gesicht von Mr Arnold abgewandt, und folgte den Klängen der Musik in den Salon.
    Plötzlich spürte sie ein feuchtes Kitzeln in der Hand. Erschrocken blickte sie nach unten und sah überrascht, dass Jester in der Halle war und mit anbetendem Blick zu ihr aufschaute. »Nein«, flüsterte sie, »kschhhh!« Wenn der Hund ihr nun in den Salon folgte! So würde sie niemals ungesehen hineinkommen.
    »Geh weg«, drängte sie. Doch Jester wedelte nur mit dem Schwanz.
    Da tauchte Craig auf, in Livree und gepuderter Perücke, und packte den Hund am Halsband. »Verzeihung, Madam.« Er führte Jester weg. Dabei hörte sie den Diener grummeln: »Du solltest doch heute unten bleiben. Wenn ich rausfinde, dass Fred …«
    Erleichtert über Craigs Einschreiten, nahm Margaret sich vor, in Zukunft freundlicher zu dem jungen Mann zu sein, und setzte ihren Weg zum Salon fort. Vor einer der Doppeltüren blieb sie stehen und sondierte die Lage. Vor ihr standen zwei ältere Gentlemen, die ei­nander abwechselnd etwas ins Ohr brüllten, um die Musik zu übertönen. Sie blieb etwa einen Meter hinter ihnen stehen und benutzte sie als Deckung, von der aus sie die Umgebung erkundete. In der einen Ecke des Raumes spielte ein fünfköpfiges Orchester, in der anderen stand ein Tisch mit Erfrischungen. In der Mitte des Raumes tanzten zwölf Paare. Sie erblickte ihre Schwester Caroline; sie tanzte mit Marcus Benton.
    Das Herz tat ihr

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