Die Magie Des Herrschers
Brust, und das Blut rauschte ihm in den Ohren, als der Ritter, auf dessen geschlossenem Helm ein Schweif aus schwarzem und weißem Rosshaar wehte, seinen Schild hob und das Schwert aus der Scheide zog.
»Räuber!«, schallte die Stimme die Straße entlang. »Ich bin Nerestro von Kuraschka, Großmeister des Ordens der Hohen Schwerter. Ergib dich mir oder stirb.«
Der Knabe riss die Präzisionsbüchse aus dem Halfter, klappte das Visier hoch und richtete die Mündung auf den Ritter. »Das hier ist eine Waffe, die selbst Eure Rüstung durchschlägt, Großmeister«, schrie er zurück. »Gebt den Weg frei und lasst mich passieren.«
»Niemals«, lehnte der Ritter ab und drückte seinem Pferd die Fersen in die Flanken. Das Schwert nach vorn gereckt und den Körper hinter den Schild geduckt, jagte der gepanzerte Mann heran.
Tokaro schluckte schwer, als er den Kopf des Großmeisters im Mittelpunkt des Zielrähmchens zentrierte.
Das kannst du nicht tun. Es wäre dein erster Mord, und dazu noch an einem Mann, der dich zu deinem Knappen machen wollte, sagte eine Stimme in ihm. Näher und näher preschte der imposante Krieger. Die Diamanten am Griff der aldoreelischen Klinge funkelten auf. Aber wenn ich ihn nicht erwische, verliere ich irgendein Körperteil. Schlimmstenfalls meinen Schädel. Ach, was soll’s.
Im letzten Augenblick riss er den Lauf zur Seite, die Büchse sandte die Kugel rauchend und krachend auf die Reise.
Das Blei durchschlug die polierte Metallpanzerung der Schulter und stanzte ein fingerdickes Loch in den Stahl. Doch nichts schien den Ordensritter aufhalten zu können. Hätte Tokaro den Einschuss, aus dem Blut sickerte, nicht gesehen, hätte er geglaubt, sein Ziel verfehlt zu haben.
Schnell duckte er sich seitlich an den Leib seines Hengstes, um dem kommenden Hieb zu entgehen und danach die Flucht nach vorn zu ergreifen. Bis der Ritter gewendet hätte, wäre er schon längst über alle Berge.
Doch die kompromisslose Strategie seines Gegners machte ihm einen Strich durch die Rechnung.
Aus vollem Lauf prallte das gerüstete Pferd des Großmeisters gegen Treskor und warf den Hengst zu Boden. Das Schwert zuckte durch die Luft und kappte die hervorstehende Präzisionsbüchse um die Hälfte ihrer Länge.
Tokaro stürzte zusammen mit seinem Schimmel vom breiten Weg in den Graben. Moos dämpfte den Aufprall von Mensch und Tier.
Als sich der Knabe nach einem Augenblick der Orientierungslosigkeit erheben wollte, sah er die Gravuren auf dem Schild rasend schnell näher kommen, bevor sie mit einem dumpfen Laut an seinen Kopf knallten. Tokaro wurde ohnmächtig.
»Diese Waffe wird einmal der Untergang unseres Ordens sein, Großmeister. Wenn es nun schon Kindern gelingt, mit dieser Erfindung einen Ritter aus dem Sattel zu holen …«
»Er hat mich nicht aus dem Sattel geholt. Er hat mich nur verwundet.«
»Und wenn diese Kugel, die Euch durch den Arm fuhr, das Gelenk getroffen hätte? Oder den Helm? Dann müssten wir einen neuen Großmeister wählen. Diese … Büchsen, oder wie auch immer man den knallenden Stock nennt, sollte man allesamt zerstören. Sie übertreffen die Armbrust um Längen.«
Eine gedämpfte Unterhaltung drang in Tokaros Bewusstsein. Mit geschlossenen Augen erkannte er, dass er auf einem Feldbett lag und man ihm so ziemlich alle Kleidungsstücke ausgezogen hatte bis auf den Unterleibswickel. Um seinen Oberkörper lag ein Verband. Als er sich bewegen wollte, spürte er einen Stich in seiner rechten Seite.
»Du hast dir bei deinem Sturz drei Rippen gebrochen«, sagte die Stimme des Großmeisters. »Du kannst uns ansehen, wir wissen, dass du wach bist.«
Gehorsam hob der Knabe die Lider und schaute in das vertraute Gesicht von Nerestro mit der goldenen Bartsträhne. Der Anblick des jüngeren Mannes dahinter kam ihm vage bekannt vor. »Bin ich im Gefängnis?«, fragte er zögerlich.
»Nein, Tokaro«, sagte der Großmeister ernst. »Du bist in unserem Packzelt, in das dich meine Knechte geschafft haben. Du warst nach dem Treffer mit dem Schild ohne Besinnung.«
»Und warum liege ich hier und nicht im Kerker in Ulsar?«, wagte der Junge nachzuhaken. Seine blauen Augen hefteten sich an die Bandage, die der Oberste der Ordensritter um die Schulter trug. »Werde ich abgeholt, oder bringt Ihr mich in die Verlorene Hoffnung ?«
»Nichts würde ich lieber tun«, knurrte der andere Ritter.
»Danke mir nicht für meine Milde.« Nerestros Gesicht verlor seine Strenge nicht. »Der Mann neben mir
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