Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
Glück hatte er ein gutes Gedächtnis. Doch es war schwerer als gedacht. Von Berce aus hatte alles ganz anders ausgesehen, und die Landschaft bot kaum Orientierungspunkte. Die bewaldeten Hügel ähnelten sich alle.
Bewaldete Hügel … Natürlich! Bowbaq musste auf einen Baum geklettert sein, um die Signale zu geben! Yan war plötzlich ziemlich sicher. Im Grunde mussten sie nur den höchsten Baum der Umgebung ausfindig machen. Vermutlich hatte Bowbaq den Beginn der Fährte mit einem einfach zu findenden Zeichen markiert.
Rasch erklärte Yan Grigán seinen Gedanken, und dieser räumte ein, dass er Hand und Fuß hatte. Vom Lob des Kriegers angestachelt, stieg Yan von seinem Pferd und kletterte auf einen Quillenbaum, dessen dünnere Zweige sich unter dem Gewicht der süßen Früchte bogen. Mit wenigen Handgriffen erreichte er den Wipfel.
Von oben hatte er eine herrliche Aussicht. Im Süden, hinter Berce, das gerade zum Leben erwachte, erstreckte sich die endlose, spiegelglatte Fläche des Mittenmeers.
Ringsum bestand die Landschaft aus nichts als Blättern in den unterschiedlichsten Grün-, Gelb- und Rottönen, gefärbt von der Jahreszeit des Windes.
Seit fast einer Dekade hatte Yan das Meer nicht mehr gesehen. Sonst lebte er praktisch am Strand. Ihm war nicht klar gewesen, wie sehr es ihm fehlte.
Grigán ›bat‹ ihn, sich zu beeilen. Mit einem kleinen Seufzer begann Yan, nach dem höchsten Baum Ausschau zu halten, und wurde rasch fündig. Der Baum war weniger als dreihundert Schritte entfernt.
Sein Jubelschrei blieb ihm in der Kehle stecken, als er noch etwas anderes sah.
Beim Abstieg rutschte er am Stamm hinunter, statt von Ast zu Ast zu klettern, und sprang das letzte Stück zu Boden. Léti und Corenn sahen ihn erstaunt an. Grigán zog sein Schwert und sah sich hastig um.
»Die Züu«, wisperte Yan und zeigte in eine Richtung. »Sie sind da.«
Grigán sprang von seinem Pferd und stellte sich neben Yan, ohne den Blick von den Büschen abzuwenden. »Wie viele sind es?«
»Ich weiß nicht, mindestens sieben oder acht. Nicht alle sind Züu, aber die anderen Männer arbeiten für sie.«
»Wie weit sind sie entfernt? Haben sie dich gesehen?«
»Nein, ich glaube nicht. Sie starrten alle auf den Boden. Vermutlich suchen sie Bowbaqs Fährte. Sie sind ungefähr vierhundert Schritte entfernt. Zum Glück kommen sie nicht in unsere Richtung.«
Grigán lief auf und ab und strich sich nervös über den Schnurrbart. Dann erklomm er selbst den Quillenbaum.
»Nach meiner Flucht heute Nacht müssen sie ihre Pläne geändert haben«, flüsterte Yan und sprach damit aus, was alle dachten. Doch die anderen kannten noch gar nicht die ganze Geschichte.
»Einer der Männer wurde getötet, als ich mein Pferd aus dem Stall holte«, fuhr Yan fort.
»Hast du ihn getötet?«, fragte Corenn besorgt, während Grigán wieder zu Boden sprang.
»Nein, jemand anders. Ein Bettler, der vielleicht einer der Euren ist. Ein gewisser Rey von Kercyan oder so ähnlich.«
»Rey, sagte er? Nicht Mess?«
»Nein, nein, Rey. Das schien ihm sehr wichtig zu sein.«
»Haltet Ihr das für möglich?«, fragte Corenn Grigán.
»Das sehen wir später«, knurrte Grigán. »He, Yan, gibt es noch mehr, was wir nicht wissen?«
»Ich hätte es Euch später gesagt«, erwidert Yan gekränkt. »Ich dachte, es sei erst einmal wichtiger, Euren Freund zu retten.«
»Was nicht leicht sein wird«, warf Léti ein.
Sie schwiegen bedrückt. Grigán begann wieder, rastlos auf und ab zu laufen und fuchtelte dabei mit seinem Schwert durch die Luft. Er schien sich seiner Geschicklichkeit nicht bewusst. »Nun gut«, sagte er schließlich und blieb stehen.
Dann setzte er sich erneut in Bewegung. Yan dachte, dass sie auf die Entscheidung des Kriegers warteten, als seien sie nicht in der Lage, eigenmächtig zu handeln. Er beschloss, Grigán einen Teil seiner Last abzunehmen.
»Meister Grigán, was würdet Ihr tun, wenn Ihr allein wärt?«
Der Krieger hielt inne und sah Yan mit einem Hoffnungsschimmer in den Augen an. »Ich würde der Fährte folgen. Vielleicht wäre ich schneller als die Züu.«
»Worauf wartet Ihr dann noch?«
»Die Chancen stehen eins zu drei, dass ich dabei den Tod finde. Es geht mir nicht um mich. Um euch habe ich Angst. Ich kann euch nicht allein lassen, aber ich kann auch nicht tatenlos zusehen, wie Bowbaq massakriert wird. Ihr wisst, warum.«
»Und wenn ich mit Euch komme? Stehen die Chancen dann besser?«
Grigán mustere ihn eine Weile
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