Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
Palast.
Nun musste er nur noch herausfinden, wie er sich am besten an den Palast heranschlich. Im Westen lag ein mit mehreren Reihen von Palisaden umschlossenes Gelände, auf dem vermutlich Sklaven in Baracken zusammengepfercht waren. Dort war kein Durchkommen möglich: Rey hatte beobachtet, dass die Gegend regelmäßig von bewaffneten Patrouillen kontrolliert wurde. Weiter westlich war es noch schlimmer. Der Eingang des Tunnels, der unter den Rideau führte, war von Reys Posten aus deutlich zu sehen. Er schien von einer ganzen Kompanie bewacht zu werden, und es wimmelte dort nur so von Menschen.
So spähte Rey schließlich einen mehr oder minder gefährlichen Weg aus, der von den Geröllbergen über offenes Gelände und zuletzt an der Kampfarena vorbeiführte. Bei Einbruch der Nacht war er entschlossener denn je, und nachdem sich die Betriebsamkeit im Lager etwas gelegt hatte, verließ er auf Zehenspitzen sein Versteck, um seine Mission zu erfüllen.
Die Anführer der schwarzen Wölfe hatten sich bei Narro versammelt, um Grigán anzuhören. Der neue Hauptmann hatte den Kriegsrat für den Abend angesetzt, da er und Yan sich von den Anstrengungen der letzten Tage erholen mussten. Außerdem hoffte er, dass sich die erregten Gemüter bis dahin wieder beruhigt hatten. Für seinen Plan brauchte er umsichtige Heerführer, keine mordgierigen Hitzköpfe.
Nun war es so weit. Während er den Blick über die Ruinen der Stadt Gul schweifen ließ, dachte er an die zwei Frauen, die er geliebt hatte. Héline war im Haus ihres Vaters gestorben, nachdem es eine Bande betrunkener Yussa aus purer Zerstörungslust in Brand gesetzt hatte. Narro hatte Grigán und sich selbst die Schuld daran gegeben. Bevor Grigán ins Exil gegangen war, hatte die beiden Männer eine aufrichtige, von gegenseitiger Achtung geprägte Freundschaft verbunden, doch nach dem Vorfall war die Zuneigung des verzweifelten Vaters in blanken Hass umgeschlagen.
Nun hatte der alte Mann ihm verziehen. Grigán traf keine Schuld an dem Verbrechen. Narro machte ihm nur noch zum Vorwurf, dass er nicht schon zurückgekehrt war, als sich die schwarzen Wölfe gegründet hatten. Aber es hatte eine ganze Weile gedauert, bis der Krieger die Kraft gefunden hatte, sich seinen Erinnerungen zu stellen.
Endlich hatte er Frieden mit sich geschlossen. Endlich blickte er nicht mehr schicksalsergeben in die Zukunft, sondern konnte sein Leben selbst in die Hand nehmen und zum Guten wenden. Doch die Götter spielten ihm einen grausamen Streich: Erst jetzt, da ihn seine Krankheit und die Niedertracht eines Hexers zum Tod verurteilten, begriff Grigán, dass das Glück in seinen Händen lag. Erst jetzt, da er nach einer so langen gemeinsamen Zeit von Corenn getrennt war, gestand er sich das Recht zu, wieder zu lieben.
Er hatte das Gefühl, alles mit neuen Augen zu sehen. Nachts war es in der Stadt Gul angenehm kühl, und in den Ruinen herrschte noch Leben. Wenn er aus dem Fenster von Narros Haus sah, entdeckte er hier und da eine Feuerstelle, eine Laterne oder einige Fackeln, um die sich die ernsten, stolzen Männer seines Volkes versammelten. Jemand pfiff nach ihm, und als er hinunterblickte, sah er Yan, der ihm zuwinkte. Mit Miff auf der Schulter betrat er das Haus, und Grigán ging ihm entgegen, um ihn und die letzten Rebellenführer zu begrüßen.
Nur einen Albtraum hatte Grigán noch nicht vergessen: das Massaker von Quesraba, bei dem Aleb ein ganzes Dorf vernichtet hatte, während er tatenlos zusah. Dieses Schicksal durfte Lorelia nicht treffen. Diesmal würde sich Grigán dem Tyrannen in den Weg stellen. Er fühlte sich stark genug, Alebs gesamte Kriegsflotte im Alleingang zu versenken.
Als die Hauptmänner Platz genommen hatten und verstummt waren, trat Grigán an den Versammlungstisch und ergriff das Wort. Der Kampf hatte begonnen. »Aleb stellt eine Flotte auf«, sagte er laut. »Davon habt Ihr sicher gehört. Er hat ganze Heerscharen von Galeeren und Segelschiffen aufgeboten. In Mythr halten sich fünfzehntausend Yussa bereit, um an Bord zu gehen.«
»Sollen sie auf hoher See verrecken!«, rief jemand.
»Dann rücken noch einmal so viele nach«, erwiderte ein anderer. »Es sind endlos viele.«
»Es wird niemand mehr nachrücken, wenn wir sie auf den Meeresgrund schicken«, rief Grigán und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Und den Einäugigen mit dazu!«
»Fünfzehntausend Männer«, sagte Berec ernst. »Wir sind kaum mehr als zweitausend, Grigán.
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