Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk
deutete darauf hin, was tatsächlich geschehen war. Sie fuhr zu Tagwen herum, der hinter ihr eingetreten war und auf dessen Gesicht sich ein wütender Ausdruck breit gemacht hatte. »Wo ist sie, Tagwen?«, fauchte sie und kam ihm zuvor. »Was ist passiert?«
»Nichts ist passiert!«, verteidigte er sich und trat sofort an den Schreibtisch, wo er Griannes Notizen einsammelte. »Du darfst hier nicht rein, Shadea!«
»Wenn nichts passiert ist, wo ist dann die Ard Rhys?«, fragte sie. »Warum ist sie nicht in ihrem Zimmer?«
»Das weiß ich doch nicht«, gab er in gereiztem Ton zurück und stellte sich ihr in den Weg. »Allerdings begreife ich nicht, was dich das angeht.«
»Es geht uns alle an, Tagwen. Schließlich gehört sie dir nicht allein. Wann hast du sie zuletzt gesehen?« Der Zwerg wirkte gekränkt. »Kurz vor Mitternacht. Sie hat ihren Tee getrunken und wollte ins Bett.« Er blickte sich skeptisch um. »Sie muss noch einmal hinausgegangen sein.«
»Und warum hat die Trollwache sie nicht gesehen?« Sie schaute sich um, als wolle sie sich versichern, dass die Ard Rhys nicht doch irgendwo zu sehen war, dann verkündete sie: »Wir müssen sofort mit der Suche beginnen.«
»Unmöglich!«, entgegnete der Zwerg entsetzt. »Du weißt nicht einmal, ob ihr wirklich etwas zugestoßen ist! Es gibt keinen Grund für eine Suche.«
»Es gibt Grund genug«, hielt sie dagegen. »Aber im Moment können wir die Sache für uns behalten. Du und ich, wir sind die Einzigen, die Bescheid wissen müssen, denn vielleicht ist wirklich nichts geschehen. Oder sollen wir herumstehen und nichts tun?«
Da ihm auf ihren unausgesprochenen Vorwurf nichts zu erwidern einfiel, schwieg er. Sie versuchte bereits, die Führung des Keeps zu übernehmen, und er konnte es nicht verhindern. Allerdings verstand er auch noch nicht richtig, was sich hier abspielte; die Sorge um die Ard Rhys trübte sein Urteilsvermögen. Hätte er einen klaren Gedanken fassen können, wäre ihm sicherlich die Frage in den Sinn gekommen, warum es Shadea so eilig hatte. Die lächelte innerlich über seine offensichtliche Verwirrung. Er sollte die Ard Rhys lieber vergessen und sich Sorgen wegen sich selbst machen. Doch zu dieser Erkenntnis würde er erst später gelangen. Unter Aufsicht der Zauberin führten die Trollwachen eine Suche nach der Ard Rhys durch. Dieser Vorgang nahm kaum eine Stunde in Anspruch und erbrachte genau das, was Shadea erhofft hatte: Von Grianne Ohmsford war keine Spur zu entdecken. Am Ende wollte sie von Tagwen wissen, was er zu tun gedenke. »Du hast sie als Letzter gesehen, Tagwen, und du bist jedenfalls für sie verantwortlich. Aus dem Grund hat sie dich ja zu ihrem persönlichen Diener gemacht.«
Tagwen war zerknirscht. »Ich habe keine Ahnung, was ihr zugestoßen sein könnte. Paranor würde sie nicht verlassen, ohne es mir mitzuteilen. Sie hat sich gestern Abend auf das heutige Treffen mit dem Premierminister vorbereitet, noch als ich ihr den Tee brachte und ihr eine gute Nacht wünschte. Ich verstehe das nicht!« Er hielt sich für verantwortlich, obwohl es, bis auf ein Gefühl der Verpflichtung seiner Herrin gegenüber, keinen Grund dafür gab. Exakt darauf hatte Shadea gebaut. »Nun, Tagwen, wir sollten nicht gleich in Panik geraten«, beruhigte sie ihn. »Bis zum Treffen ist noch Zeit. Vielleicht hat sie sich hinausgeschlichen, um nachzudenken. Manchmal macht sie das ja, nicht? Benutzt ihre Magie, damit niemand weiß, wo sie gerade ist.« Tagwen nickte misstrauisch. »Manchmal.«
»Möglicherweise ist das auch jetzt der Fall. Du wartest hier in ihrem Zimmer, und ich suche nach ihr. Mithilfe meiner Magie werde ich die Spuren ihrer Bewegungen verfolgen. Eventuell kann ich sie in der Luft entdecken.« Sie klopfte ihm auf die Schulter. »Mach dir keine Sorgen, sie taucht schon wieder auf.«
Mit diesem falschen Trost ging sie hinaus und suchte die Zimmer ihrer Mitverschwörer auf. Einen nach dem anderen setzte sie diese in Kenntnis darüber, dass der Plan mit Erfolg in die Tat umgesetzt worden war. Wie erwartet beschwerte sich jeder ein wenig, weil sie eigenmächtig gehandelt hatte, doch wurden diese Einwände von der Euphorie weit übertroffen. Die Ard Rhys war erledigt. Jetzt mussten sie damit beginnen, die Macht über die Druiden und den Keep in die Hände zu bekommen. Nachdem bekannt geworden wäre, dass die Ard Rhys verschwunden war, würden sich Durcheinander und Handlungsunfähigkeit breit machen. Durch den Verlust von Grianne
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