Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk
nicht geliebt.«
Einen Moment lang rührte sich Iridia nicht und antwortete auch nicht, sondern starrte Shadea an, und in ihrer Miene mischte sich Unglauben mit Zorn. Dann verschwand beides unvermittelt, und das Gesicht wirkte ruhig und leidenschaftslos. »Mach, was du willst«, sagte sie.
Damit drehte sie sich um und ging davon, wobei sie Shadea anschaute. An der Tür sagte sie leise: »Ich hasse dich. Und ich werde auch dich sterben sehen.«
Shadea blickte ihr hinterher, während sie die Treppe des Turms hinunterstieg, und dachte kurz, sie sollte ihr nachgehen, entschied sich jedoch dagegen. Sie kannte die Zauberin. Iridia wurde schnell wütend, aber sie würde über die Situation nachdenken und ihre Dummheit erkennen. Für jetzt ließ man sie besser in Ruhe. Sie betrachtete das Scrye-Wasser im Becken. Das Kräuseln war verschwunden, die Oberfläche lag still da. Ähren Elessedil würde ebenso schnell verschwunden sein.
Eine letzte Aufgabe hatte sie noch vor sich, und die verabscheute sie am meisten. Für Aphasia Wye hatte sie genauso wenig übrig wie für Terek Molt, doch hielt sie ihn für nützlich, wenn es darum ging, bestimmte Aufgaben zu erledigen, die andere nicht ausführen wollten oder konnten. Dies war ja bereits bei der Jagd nach Grianne Ohmsfords Familie geschehen, und mit Ähren Elessedil würde das Ganze nicht leichter werden. Terek Molt protestierte zwar gegen ihre Entscheidung, doch hatte sie diese aus vernünftigen und zweckmäßigen Überlegungen heraus getroffen. Für diese Unternehmung konnte sie nur einen einzigen Druiden aus ihrem innersten Kreis erübrigen, und dieser eine würde vermutlich nicht ausreichen.
Auf ihrem Weg durch die Türme und Gänge des Keeps, vorbei an Schlafräumen und Meditationszellen, an Ruhenden und Rastlosen, konzentrierte sie sich auf die anstehende Aufgabe. Sie wollte die Sache zu Ende bringen, jedoch nicht, ehe sie das Notwendige erledigt hatte. Seit Terek Molts Rückkehr hatte sie intensiv darüber nachgedacht. Es war ein Fehler gewesen - und zwar leider ihr eigener -, die Ohmsfords von Patch Run für gewöhnliche Leute zu halten. Der Junge und seine Eltern waren zwar vielleicht keine Druiden, nur deshalb durfte man sie nicht gleich unterschätzen. In ihrem Blut floss Magie, und in ihrer Familiengeschichte hatten sie sich oftmals unter widrigsten Umständen durchsetzen können, weshalb man sie als gefährlich einstufen musste. Dementsprechend waren besondere Maßnahmen erforderlich, um sie überwältigen.
Zum einen würden ihr die Dienste von Aphasia Wye nützen. Aber sie brauchte noch etwas. Sie stieg die Wendeltreppen in die Tiefen des Keeps hinab, in die Keller und Kerker, die im Fels lagen, dunkle Gewölbe, in die sich Druiden selten verirrten. Das Ziel war nur ihr selbst bekannt, jetzt, nachdem Grianne Ohmsford verschwunden war, ein Ort, den sie vor einigen Jahren entdeckt hatte, als sie der Ard Rhys nachspionierte, um ihre Geheimnisse aufzudecken. Schon damals war sie gut im Beschatten gewesen, denn diese Fähigkeit hatte sie früh entwickelt, als sich ihre Gabe für Magie enthüllte. Es war gefährlich, Grianne Ohmsford zu überlisten, doch gelang es Shadea mithilfe eines feinen, geruchlosen Staubes, der die Spuren anderer in einem prismatischen Licht sichtbar machte. Diesen Staub verstreute sie an den dunklen Orten, an die, wie sie wusste, ihre Konkurrentin manchmal ging, dann wartete sie auf ihre Rückkehr, ehe sie hinunterschlich und der Spur folgte. Ein oder zwei Mal hatte sie dabei Glück gehabt, doch nie wieder so viel wie bei dem Ort, den sie nun aufsuchen wollte.
Sie betrat das tiefe Zentrum des Keeps, das Herz der Festung, wo die Hitze der Erde aus brodelndem Magma aufstieg und die oberen Räume heizte. Interessanterweise hatten die Druiden ihr Heim über einer vulkanischen Spalte erbaut. Eines Tages würde der Vulkan ausbrechen und alles zerstören. Doch lebten die Druiden in Harmonie mit den Elementen der Erde und bezogen Kraft aus der ungebändigten Natur. Das verstand und begrüßte sie. Die Nähe zu dem scharfen Grat zwischen Leben und Tod lockte auch sie.
Die Gänge wurden schmaler und dunkler. So weit in der Tiefe brauchte man weder Platz noch Licht. Manche dieser Tunnel waren vielleicht seit tausend Jahren nicht mehr begangen worden, und ebenso lange hatte sich in einigen der Zellen und Räume kein Lebewesen mehr aufgehalten. An diesem Tag stand ihr der Sinn jedoch nicht nach Leben, sondern nach Tod. Schweigend lauschte sie auf
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