Die Magier von Shannara 2 - Der Baum der Talismane
hängenden Wolken, und die Türme und Zinnen ragten scharf umrissen von dem fleckigen Felsen auf wie eine aufgeblühte Krebsgeschwulst.
Der riesige Komplex breitete sich weit aus. Grianne starrte ihn von dem Strohbett aus an, auf dem sie lag. Die Ketten klirrten leise, wenn sie mit der Bewegung des Wagens, auf dem sich ihr Käfig befand, hin und her schwankte. Sie zogen geradewegs auf die Festung zu, und daher hegte Grianne keinen Zweifel, dass es sich dabei um ihr Ziel handelte. Wer immer sie hatte gefangen nehmen lassen, würde sie dort erwarten. Während die eigentümliche Karawane voranrollte, während die Bullentiere vor Anstrengung schnaubten und schnauften, während die Wölfe wie graue Blitze mit gefletschten Schnauzen vorbeiliefen, während sich das Ächzen der eisenbeschlagenen Räder und des ledernen Geschirrzeugs mit dem Stakkato der Peitschenknalle und dem seltsamen Krächzen der Wagenlenker vermischten, überlegte sie, was das für sie bedeutete. Staub lag dicht und stickig in der Luft, und sie roch die Trockenheit und das Alter der Feste. Das rief ein Würgen bei ihr hervor, und sie vergrub das Gesicht in ihrer Schulter, um atmen zu können. Wegen der Fesseln schmerzte ihr ganzer Körper, und ihr pochte der Kopf vom Staub und vom Gestank der Tiere.
Einmal sah sie ein seltsames Wesen, das offensichtlich den Befehl über die kleine Prozession hatte. Es starrte sie aus einem eigenartig langen Gesicht an, das zum Knoten gebundene grobe schwarze Haar wippte bei jedem Schritt, die Miene über dem Bart wirkte angespannt, und aus den hellen Augen leuchtete ihr Neugier entgegen. Das Wesen sprach nicht mit ihr wie beim ersten Mal, als es zu ihr gekommen war, sondern betrachtete sie nur und zog weiter. Entkräftet und seelisch erschöpft döste sie eine Zeit lang, und als sie erwachte, fuhren sie eine lange, gewundene Rampe zur Festung hinauf. Nun wirkte das Bauwerk noch riesiger, die spitzen Dächer und Zinnenmauern ragten hoch auf, schwärzer als nasser Ruß und schärfer umrissen als mit einem Wurfmesser ausgeschnitten. Sie setzte sich auf, stützte sich ab, weil der Wagen so schwankte, und schaute die Rampe hinauf, an deren Ende man die Flügel des eisenverstärkten Tores geöffnet hatte, um ihnen Einlass zu gewähren. Auf den Mauern und der Rampe selbst wimmelte es von Wesen, die sie an Weka Dart erinnerten und deren Waffen und Rüstungen matt glänzten. Wem auch immer die Festung gehörte, sie war gut besetzt, und der einzige Weg hinauf schien die Rampe zu sein, die einem Angreifer keinerlei Deckung bieten würde. Plötzlich erinnerte sie sich an Tyrsis, Callahorns große Festung in den Vier Ländern. Dies könnte ein Spiegelbild sein, und Grianne vermutete, das Bauwerk stehe auf jenem Plateau, auf dem in ihrer eigenen Welt Tyrsis errichtet worden war. Die Ähnlichkeit überraschte sie, da sich trotz der unterschiedlichen Geschichte beider Welten manche Dinge doch gewissermaßen parallel entwickelten. Dazu gehörte es sicherlich, natürliche Gegebenheiten auszunutzen, wenn man sich verteidigen wollte.
Das Tor verschluckte sie und schlug mit dröhnendem Krachen hinter ihnen zu. Sie war von scharfen Gesichtern umringt, die gierig geiferten, von grobem Haar gerahmt wurden und an denen die spitzen Ohren und die flachen Nasen am meisten auffielen. Goblins, erkannte sie, obwohl sie niemals einen gesehen hatte. Noch zu Zeiten der Feen waren sie in die Verfemung verbannt worden, hatte sie in den Chroniken der Druiden gelesen. Manche grinsten unfreundlich und entblößten die scharfen, spitzen Zähne und das schwarze Zahnfleisch. Sie griffen durch die Gitterstangen und wollten sie berühren. Die Wölfe knurrten und schnappten wütend nach ihnen, als wollten sie ihre eigene kurz bevorstehende Mahlzeit verteidigen. Die Wagenlenker, die Grianne sehen konnte, ließen die Peitschen knallen. Die Luft war von rauen Lauten und üblen Gerüchen erfüllt und, selbst hier innerhalb der Mauern, voller Staub.
Die Karawane hielt vor dem zentralen Turm, dessen Mauern mit Eisenspitzen bewehrt waren und zwischen dessen Zinnen Speerschleudern wie Schlangenzungen hervorragten. Dutzende weiterer Goblins drängten sich nun offensichtlich um den Wagen herum, da die Hektik zunahm, und manche trugen Seile oder Ketten, die an Schlingen und Klammern befestigt waren, andere hingegen trugen Waffen. Grianne hörte das Knurren der Wölfe nicht mehr; vermutlich hatte man die riesigen Tiere vor der letzten Mauer, die sie passiert hatten, in
Weitere Kostenlose Bücher