Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
sich ganz fest an Hatik. Das Gefühl von unendlicher Geborgenheit, das sie stets in seiner Nähe fühlte, breitete sich wohlig aus. Er nahm sie einfach auf seine starken Arme und trug sie in die gemütlich eingerichtete Sitzecke am Kamin. Mit einem Fingerschnippen entzündete er die vielen kleinen Öllämpchen, die auf dem Sims standen. Dass draußen inzwischen heller Tag geworden war, interessierte die beiden wenig. Für sie zählte nur die innige Zweisamkeit.
Merit durchquerte inzwischen auf Binti die kleine Siedlung. Erstaunte und neugierige Blicke folgten ihr. Ab und zu winkten ihr die Atlan zu, fröhlich winkte sie zurück und erwiderte die freundlichen Grüße. Sie brauchte nicht lange, nach Solon zu suchen. Er jätete gerade seinen kleinen Kräutergarten und freute sich, die unliebsame Arbeit unterbrechen zu können. Lächelnd hielt er die Arme auf. Merit lachte. „Danke, runter komme ich allein. Du musst mir dann bloß wieder hinauf helfen.“ Sie klopfte Bintis Hals und ließ ihn laufen, wohin er mochte. Es musste sich schon herum gesprochen haben, dass sie Solon aufgesucht hatte, denn Talos, Aron und Safi kamen gleichzeitig, wenn auch aus verschiedenen Richtungen herbei. Solon bat seine Gäste ins Haus und dort erklärte ihnen Merit mit kurzen Worten Hatiks Beobachtungen. Talos nickte. Seinen Berechnungen zufolge, stand tatsächlich eine Springflut bevor. Wenn Hatik davor warnte, dann musste etwas Besonderes daran sein. Solon informierte den Senat, der seinerseits die Bevölkerung unterrichtete. Sofort wurde begonnen, reifes Obst und Gemüse aus den tiefer gelegenen Gärten zu ernten und in höheren Regionen in Sicherheit zu bringen, bevor es einströmendes Salzwasser verderben konnte. In den letzten Jahrhunderten war Atla immer von größeren Schäden verschont geblieben, was die Atlan nicht davon abgehalten hatte, Vorsorge zu treffen. Diese Umsicht sollte sich bezahlt machen.
Zwei Tage vor dem Vollmond zog ein Unwetter heran, wie es selbst die Ältesten noch nicht erlebt hatten. Der Donner grollte ohne Unterlass, Blitze zuckten über den rabenschwarzen Himmel, der wohl alle Schleusen gleichzeitig geöffnet hatte. Die kleinen murmelnden Bächlein verwandelten sich in reißende Ströme, welche entwurzelte Palmen und ganze Steinblöcke mit sich rissen. Dann fegte der Orkan heran und türmte mehrere Meter hohe Wellenberge auf. Die fünf Männer beeilten sich, den Unterstand von Binti wind- und wasserdicht zu machen, während die drei Frauen aus den Kräutergärten retteten, was der Schlamm noch nicht vollends begraben hatte. Am übernächsten Tag wurde die Lage akut. Es gab in der ganzen Siedlung kaum noch sauberes Trinkwasser. Die magische Gruppe hatte alle Hände voll zu tun, das Regenwasser zu reinigen und nutzbar zu machen. Schließlich mussten noch ein paarhundert Atlan mitversorgt werden. Die Fluten des Ozeans erreichten einen nie da gewesenen Stand. Weite Landstriche der Insel standen metertief unter Wasser, während das Unwetter einfach kein Ende nehmen wollte. Mit sorgenvollen Gesichtern saßen die acht Freunde in Neris Hütte und mussten tatenlos zusehen. Die Seherin suchte ihr kleines Heiligtum auf und ließ in Trance ihren Geist schweifen.
Als sie zu den anderen zurückkam, brachte sie keine guten Nachrichten mit. Auf mehreren Kilometern Länge waren ganze Teile der Steilküste abgebrochen und für immer im Meer verschwunden. Der klare Bergsee hatte sich in einen schlammigen Pfuhl verwandelt, Murenströme aus dem Gebirge rissen tiefe Wunden in das einst blühende Land. Fassungslos lauschten die Freunde dem Bericht. Dass die nähere Umgebung der Tempelhöhle etwas weniger in Mitleidenschaft gezogen worden war, machte Hoffnung. Allerdings konnte Neri nicht sagen, was unter der Insel mit dem Verlies des schwarzen Drakon passiert war.
An das volle Ritual zur Bändigung des Letan, war heute so wie so nicht zu denken, denn es wäre tödlich gewesen, in einer Prozession zur Grotte zu ziehen. Deshalb bereiteten sich die Teilnehmer, jeder für sich, im Haus auf das Ereignis vor und das schrille Jaulen des Sturmes lieferte eine schaurige Begleitmusik.
In regelmäßigen Abständen sah Hatik bei Binti-Amun nach dem Rechten und beruhigte ihn, so gut es eben ging. Der Hengst, der in der Wüste so manchen Sandsturm erlebt hatte, schnaubte bei jedem Donnerschlag ängstlich. Hatik beschloss Merit zu bitten, während der Zeremonie bei dem völlig verängstigten Tier zu bleiben und sie sagte ohne Ziererei
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