Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
„Das ist ein wahres Wort. Wenn einer die Drakon wirklich versteht, dann er.“
Hatik verwandelte sich und begann, vorsichtig mit den kräftigen Drachenklauen die Verunreinigungen abzulösen. Millimeter um Millimeter kämpfte er sich voran. Schweigend und in atemloser Neugier schauten die Freunde dabei zu. Achtsam lockerte er die einzelnen Kalkschalen, um sie danach langsam abzuheben. Es war erstaunlich, wie viel Zartheit in den schuppigen Klauen mit den scharfen, gebogenen Krallen steckte. Dann kam endlich ein schwacher goldener Schein zutage. Mit sanfter Gewalt sprengte Hatik die restliche Hülle auseinander und hielt den Reif in seinen Händen. Das Meer und die Zeit hatten dem Schmuckstück nichts anhaben können, das Metall glänzte wie poliert. Ohne seinen Drachenpanzer abzulegen, trat Hatik auf Merit-Amun zu und streifte ihr das Kleinod über den Arm. Natürlich war es viel zu groß, schließlich wurde es einst für muskulöse Männerarme angefertigt. Wenn Uräus verlangte, dass Merit, den Reif tragen sollte, dann musste es auch einen Weg dahin geben. Hatik wusste Rat. Er umschloss ihn mit beiden Händen und stimmte einen fremdartigen Gesang an, der mit einem vibrierenden Drachenruf endete. Er löste seinen Griff und nickte zufrieden. An Merits Oberarm strahlte der Drachenreif, als hätte er nie einem anderen Träger gehört. Die Zuschauer klatschten begeistert Beifall.
„Das nenne ich Maßarbeit. Ich wusste noch gar nicht, dass du unter die Goldschmiede gegangen bist.“ Safi klopfte seinem Freund auf die Schulter. „Autsch! Ich vergesse jedes Mal, wie hart dein Drachenpanzer ist.“
„Tja, mein Lieber, und du dachtest, ich könnte aus dem Klumpen Unrat kein Gold machen.“
„Du bist eben doch der Mann für alle Fälle“, lachte Safi. „Und wohl unschlagbar.“
Hatik stimmte in das Gelächter ein. „Das hat der Hai, der mich heute anbeißen wollte, sicher auch gedacht. Die vermurkste Kostprobe hat ihm bestimmt Zahnschmerzen und Kopfzerbrechen verursacht.“
„Du bist von einem Hai angegriffen worden? Das sagst du erst jetzt?“ Horus und Merit-Amun erschauerten.
„Na, was denkt ihr, warum ich ewig nicht wieder kam. Ich musste die aufdringlichen Viecher erst mal loswerden. Aber nachdem zwei von ihnen festgestellt hatten, dass ich nicht schmecke, zogen die anderen auch mit ab. Ich weiß nicht einmal, wie viele es waren. Ich steckte gerade kopfüber so tief im Sand, dass wohl nur noch meine Beine heraus sahen und das fanden die netten Tierchen richtig einladend. Sie konnten ja nicht ahnen, dass ich was dagegen haben würde.“
Neri schmiegte sich an seine Brust. „Du verrückter Kerl wirst mich noch mal aus lauter Sorge um dich ins Grab bringen.“
Jetzt lachte Hatik erst recht. „Schon vergessen? Das geht nicht mehr.“
Neri gab ihm einen Klaps auf den Arm. „Das hat man schon wieder von seiner Gutmütigkeit.“
Schnell entledigte sich Hatik seiner Drachenhaut und drückte Neri fest an sich. „Du weißt doch, Unkraut vergeht nicht.“
„Auf diesen Schreck hin, mixe ich erst mal meinen Spezial ’, erklärte Safi, in der Küche verschwindend. Durch die offene Tür rief er: „Ich werde ihn wohl in Tarronn-Super umtaufen!“
Hatik feixte Neri an. „Und du sagst, ich sei ein verrückter Kerl …“
Sie schüttelte nur den Kopf und atmete gekünstelt aus. Horus zog die Augenbrauen hoch und zuckte mit den Schultern, was in etwa heißen sollte: „Ich kann nichts dafür.“
Dann stießen alle mit dem edlen Gebräu auf den Armreif, auf Merit, auf Hatik, Horus und auf alles Mögliche und Unmögliche an. Die kleine Gruppe hatte es sich schließlich redlich verdient, einfach einmal wieder Spaß zu haben. Und da ein paar Becher Palmwein auch an Atlan und Tarronn nicht spurlos vorüber gehen, beschlossen sie schon vorab, den nächsten Tag richtig faul am Strand zu liegen. Auf der anderen Seite der Insel würde man schon etwas Passendes finden.
So kam es dann auch. Man fand einen wunderbaren Sandstrand, der völlig einsam, weil er extrem schwer zu erreichen war. Für die Magier der Atlan und die Tarronn war dies natürlich kein Problem. Schnell waren die Picknickkörbe im Schatten untergebracht, dann widmeten sie sich der Erholung. Die beiden Tarronn aalten sich in der Sonne, die vier Magier schwammen ziemlich weit draußen um die Wette und die Frauen liefen am Strand entlang, suchten Bernstein und schöne Muschelschalen. Hatik registrierte amüsiert, dass Horus immer wieder ein anerkennendes
Weitere Kostenlose Bücher