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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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scheute er sich, mit dem Fuß den Ring zu stören, sondern setzte mit breitem Schritt darüber hinweg in das Innere. Da er sich außer Atem fühlte, ließ er sich auf einem Stein nieder und blickte nachdenklich vor sich hin.
    Plötzlich regte sich etwas im Grase. In rasenden Sprüngen, wie es sonst ganz gegen die Gewohnheit solcher Amphibien ist, durchquerte ein großer, brauner Frosch vor ihm das Gras. Er war unablässig beschäftigt, seine Schenkel zu gebrauchen, und längst auf der anderen Seite entschwunden, als der züngelnde Kopf einer mächtigen, meterlangen Ringelnatter auftauchte und sich schwarzäugig und zuckend umherdrehte. Dann schoß sie davon wie ein grauer Pfeil.
    Jäher Impuls riß den Jungen empor: Hier endlich, hier, beim dritten Male, daß er einen Mord sah, diesen zu verhindern. Wie rasend suchte er nach einem passenden Stein. Endlich, als es gerade noch Zeit war, gelang es ihm, ein mäßig großes Stück herauszubrechen. Er stürzte der Natter nach und zermalmte sie damit in der Mitte des Leibes. Sie wandte ihm den Kopf zu mit geöffnetem Rachen, eifrig weiterzüngelnd; – dann versteinte diese Gebärde. Der Schwanz zuckte; dann verlor sich das Leben. Harald sank ins Gras nieder und sah, wie das anklagend geöffnete schwarze Mäulchen ruckweise zurückfiel.
    Wie war das? – Er hatte etwas verhindern wollen, und nun hatte er es selber getan! Das Verhinderte hatte Sinn gehabt; das, was er getan, war zwecklos. Was ging ihn der Frosch an! Wirre Gedanken, mit einer halben Schläfrigkeit verknüpft, kreuzten seinen Kopf. Daß er nicht weiterging, daran war wohl noch diese leichte Müdigkeit schuld . . .
    Als der Stein die Schlange zerquetscht hatte, war ein seltsamer Ton zu hören gewesen, wie wenn man mit einem Hammer an Metall schlägt. Er untersuchte den Fleck, und seine Finger erfaßten etwas Hartes, von Sonne stärker Durchhitztes. Kein Zweifel: hier sah ein Stückchen Metall, hellgrau, und von kleinen Zacken besetzt, aus dem Boden hervor. Er bemühte sich, es herauszureißen, doch schürfte er sich nur die Finger daran wund.
    Mit einem Male befing ihn so tiefe Schläfrigkeit, vermischt mit seltsam abwehrenden Gedanken an das Blut an seinen Fingern und an die blutroten Pilze ringsum. »Ich glaube, ich mache mich in den Wald zurück«, dachte er. Doch es gelang ihm nicht mehr, den Vorsatz auszuführen; er sank mit dem Kopf auf den Rasen mitten zwischen eine Gruppe von Pilzen, die mit kühler Berührung seine erhitzte Wange streichelten. Dann war er traumlos entschlafen.
    Er schrak empor. Es war halb finster. Die Sonne war gesunken. Er riß seine Uhr heraus, doch sie war stehengeblieben. Er erhob sich mit Beschwerlichkeit und ging auf der anderen Seite des Hügels in den Wald hinab, wo er des ungewissen Lichtes halber öfters stolperte und in schlammige Mulden einsank bis zum Knie.. Ein glühendroter Abendhimmel verblutete hinter den Stämmen am Rande, dort, wo die Straße war. Es war schwül, kein Lüftchen regte sich. Endlich hatte er sich aus dem wässerigen Bezirk herausgefunden und war auf festen Boden gelangt. Es kam ihm unbegreiflich vor, daß er von zwei Uhr nachmittags bis zum Sonnenuntergang unterwegs gewesen und einen so großen Teil dieser Zeit verschlafen haben sollte.

Verhext
    Er stand auf der Straße. Die Abendglut war erstorben, und klarer Sternenhimmel wölbte sich über ihm.
    Während er vorwärts ging, spürte er, daß er keine Eile mehr habe, heimzukommen; ja es schien, als sei er durch irgendeine Behinderung gezwungen, seine Schritte mit weit größerer Gemächlichkeit zu setzen, als er es sonst zu tun pflegte, wenn er von ausgedehnten Spaziergängen abends zurückkehrte. Es war beinahe, als müsse er im selben Tempo, wie er vor Stunden in der Sonnenglut in den Wald hineinspaziert, auch den Heimweg machen; und dies fiel ihm leicht; denn jedes Bedürfnis war ausgelöscht, schnell nach Hause zu kommen.
    Der Gedanke an sein Zuhause widerte ihn auf einmal an. Dort drüben, wo der zackige Schattenriß des Städtchens von Lichtern bestreut in den Himmel schnitt, lauerte ein Gefängnis auf ihn. Hier draußen war es frei und kühl. Er verspürte die Weite und bedurfte zu diesem plötzlichen Glück nichts anderes als Ungebundenheit.
    Von oben aus dem silbernen Geflecht schienen sich magische Fäden herabzuspinnen. Fäden, die ihn emporhoben und sanft dahintrugen. Was war das für eine Abgelöstheit, für ein seltsames Entrücktsein? . . . Es war wie ein Schreiten, wie ein

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