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Die Maori-Prinzessin

Die Maori-Prinzessin

Titel: Die Maori-Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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meisten Baugerüste verschwunden, die so lange das Bild geprägt hatten. Was nun zum Vorschein kam, war ein Stil, der an Originalität im ganzen Land nicht zu überbieten war. Napier war binnen zwei Jahren zur modernsten Stadt der Welt geworden. In Zeiten der tiefsten wirtschaftlichen Depression hatten es eine Hand voll von Architekten geschafft, der verwüsteten Stadt Napier ein völlig neues und einzigartiges Gesicht zu geben, denn um die preiswerte Bauweise aus Beton aufzuwerten, waren die Fassaden üppig mit Art-déco-Elementen verziert worden. Oder sie waren im Stil des spanischen Kolonialstils, der in Florida und Kalifornien von führenden Architekten wiederentdeckt und auf die Verhältnisse der Zeit angepasst worden war, errichtet.
    Eva musste sich jedes Mal kneifen, wenn sie durch die Stadt schlenderte. Es war ein Gefühl, als wäre man in ein neues Haus eingezogen, in dem alles noch fremd und aufregend zugleich war. Nur dass es sich hier um ganze Straßenzüge handelte. Und das für sie Unglaublichste daran war, dass sie am Aufbau der Stadt nicht unwesentlich beteiligt war.
    Auch das Anwesen in Meeanee hatte von der Pracht der neuen Architektur profitiert. Daniel hatte die Fassade nach Lucies Wünschen im spanischen Stil verändern lassen, obwohl sie beim Erdbeben keinen einzigen Riss davongetragen hatte.
    Eva blickte gedankenverloren aus dem Fenster über die Weinberge, die zum großen Teil lange schon nicht mehr bewirtschaftet wurden. Nur für den Hausgebrauch gab es noch ein paar Reben. Lucie hatte es zu ihrer Aufgabe gemacht, wenigstens für die Familie noch eigenen Wein herzustellen. Ansonsten lohnte es sich nicht. Die Mission hatte an einem anderen Standort ein größeres Weingut errichtet, und keiner von ihnen hatte Interesse daran, unter ihrem Dach weiterhin für andere Winzer Wein zu verkaufen. Denn die Prohibitionsgesetze wurden immer strenger. Lucie hatte die verlassenen Gebäude der alten Mission gekauft. Sie wurden als Gästehaus, Weinkeller und für die Wohnungen der Angestellten benutzt. Bold Winery war nun das unangefochtene Prachtanwesen in Meeanee.
    Manchmal glaubte Eva zu träumen, wenn sie sich vorstellte, wie unvorhergesehen ihr Leben in den letzten zwei Jahren verlaufen war. Damals, nach dem schrecklichen Erdbeben, nach Adrians Verschwinden und dem Rausschmiss aus der Cameron Road hatte sie befürchtet, es könnte nur stetig bergab gehen. Doch das Gegenteil war der Fall gewesen. Lucie, Hariata und sie waren zusammen mit Helen und Stella in das verwaiste Anwesen in Meeanee gezogen. Ein paar Tage später schon hatte Eva im renommierten Architektenbüro von E. A. Williams, dessen rechte Hand Daniel war, ihre Arbeit aufgenommen. Ganz schnell war sie vom Mädchen für alles zur Expertin für die Innenausbauten aufgestiegen. Denn die neu errichteten öffentlichen Gebäude, Hotels, Banken, Geschäftshäuser, für die ihr Büro den Zuschlag bekommen hatte, benötigten natürlich auch ein neues Interieur. Dem Chef war die begabte Deutsche gleich aufgefallen. Gemeinsam mit Daniel hatte er beschlossen, sie als deutsche Innenarchitektin auszugeben. Eva war diese Hochstapelei unangenehm, aber die beiden Architekten hatten darauf bestanden. Andernfalls, so hatte Mister Williams befürchtet, würde es im Büro zu einer Meuterei kommen.
    »Sie sind weit besser als etliche meiner Mitarbeiter«, hatte er geseufzt. »Aber wenn auch nur einer davon Wind bekommt, dass Sie gar keine Ausbildung haben, werden die jungen Männer rebellieren. Dass Sie eine geradezu schlafwandlerische Stilsicherheit und ein ganz natürliches, geniales Gefühl für Räume, Proportionen und Farben haben, werden meine Herren Architekten und Einrichter nur schwerlich anerkennen!«
    Eva leuchtete das ein, denn es war für sie schwierig genug, dass sie sich als einzige Frau in einer Männerdomäne bewegte. Was, wenn diese ehrgeizigen Jungarchitekten erst erfuhren, dass sie eine Winzertochter aus der Pfalz war, die Inneneinrichtungen bislang nur im Verborgenen auf alte Skizzenblöcke gekritzelt hatte?
    Sie trat vom Fenster ihres Wohnzimmers zurück. In Meeanee hatte sie einen ganzen Flügel des Anwesens zur Verfügung. In dem anderen wohnten Lucie und Hariata. Die junge Maori war bereits im zweiten Jahr ihrer Ausbildung zur Krankenschwester und kümmerte sich, wenn sie nach Hause kam, rührend um die alte Dame. Allein der Gedanken an die enge Beziehung der beiden gab Eva einen Stich. Dabei verstand sie völlig, dass sich Lucie an

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