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Die Maori-Prinzessin

Die Maori-Prinzessin

Titel: Die Maori-Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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zu stehen. Dass sie diese Chance, die man ihr in Neuseeland gab, im heutigen Deutschland niemals bekommen hätte. Eva musste an dieser Stelle unterbrechen, weil das Publikum applaudierte. Das ermutigte sie, weiterhin einfach aus dem Herzen zu sprechen. Sie schilderte, wie sie nur kurz nach ihrer Ankunft das schreckliche Erdbeben erlebt hatte. Dass ihr Ehemann bis heute vermisst wäre, aber dass sie in Gedenken an ihn alles tun würde, um die zerstörte Stadt Napier wieder aufzubauen. Dass sie, die Überlebenden, es den Opfern schuldig wären, alles dafür zu geben. Statt Applaus war aus dem Publikum vereinzeltes Schluchzen zu hören. Eva sah, wie immer mehr Frauen ihre Taschentücher zückten und gestandene Männer um Fassung rangen. In diesem Augenblick wusste sie, dass sie ihrer Berufung gefolgt war – und alles andere war als eine Hochstaplerin. Zum Abschluss dankte sie Großmutter Lucie, Mister Williams und vor allem Daniel, der das Vertrauen in sie, die Deutsche, gesetzt hatte, beim Aufbau ihrer neuen Heimatstadt zu helfen.
    Selbst Mister Bruce war gerührt, als er sich bei ihr für diese Worte bedankte und scherzend hinzufügte, dass er sie, falls es mit der Architektur einmal nicht mehr funktionieren sollte, auch in seiner Zeitung beschäftigen würde. Menschen, die die richtigen Worte fänden, könne er immer gebrauchen. Er bat Eva, sich auf einen der beiden Stühle zu setzen, und bat nun Daniel auf die Bühne.
    Er konnte nicht verbergen, dass er geweint hatte, aber er versuchte es auch gar nicht. Im Gegenteil, er gab es vor all diesen Menschen zu, wie tief ihn Evas Worte berührt hatten. Eva fixierte vor lauter Verlegenheit die Spitzen ihrer Schuhe. Erst, als er dem Publikum erklärte, man habe mit den Verzierungen im Art-déco-Stil aus der Not eine Tugend gemacht, weil es viel zu teuer gewesen wäre, die Gebäude im alten Stil zu errichten – und zu trist, die Fassaden in nacktem Beton zu belassen –, hob Eva den Kopf und sah flüchtig ins Publikum. Ein paar Plätze von ihr entfernt entdeckte sie ein ihr bekanntes Gesicht, das sich erhellte, als sich ihre Blicke trafen. Die gute Harakeke. Eva war sehr gespannt, wie Lucie auf das Wiedersehen mit ihrer Schwester reagieren würde, denn das würde sich bei der anschließenden Feier nicht vermeiden lassen. Eva lächelte, doch das Lächeln erstarb ihr auf den Lippen, als sie plötzlich noch jemanden im Publikum erkannte. Die junge Frau aber grinste triumphierend, und Eva ahnte, warum. Sie hatte eine Person vergessen, die sie in Napier als Hochstaplerin würde enttarnen können und das auch skrupellos tun würde: Berenice Clarke!



M EEANEE /N APIER , A PRIL 1933
    Bis zuletzt hatte sich Eva gesträubt, die Einladung zu Mister Hays Büroeröffnung anzunehmen, doch Daniel hatte angedroht, dass er sie, wenn sie nicht käme, höchstpersönlich abholen und nach Napier schleifen würde. Sie hatte ihm hoch und heilig versprechen müssen, sich rechtzeitig auf den Weg zu machen. Eigentlich hatte sie keine Lust, denn es war ein Sonntag, an dem sie gern draußen in Meeanee war. Sie liebte es, am Wochenende auf dem Anwesen ihre Ruhe zu haben. Nun gab es keine Ausflüchte mehr. Daniel hatte eben am Telefon angekündigt, er würde sie wegen des Wetters auf jeden Fall abholen. An diesem Märztag war es zwar noch sehr warm, aber es regnete seit den Morgenstunden in Strömen.
    Mit einem Blick auf ihre neue Armbanduhr stellte sie fest, dass ihr noch etwas Zeit blieb, sich umzuziehen. Sie öffnete ihren Kleiderschrank, und ihr Blick blieb an dem Prinzesskleid hängen. Was für ein Abend, dachte sie und bekam allein in Gedanken an den Abend der Preisverleihung eine Gänsehaut. Was so schön angefangen hatte, war dank Berenice zu einem Albtraum geraten. Zwar hatte ihre entfernte Cousine letztendlich kein Wort verraten von dem, was sie über Evas Herkunft wusste, aber sie hatte die ganze Zeit mit Evas Angst gespielt. Sie war in Begleitung eines Jungarchitekten von Mister Hay erschienen, der ihr bedingungslos ergeben schien. Schon als Berenice sie einander vorgestellt hatte, hatte Eva feuchte Hände bekommen.
    »Ich habe vergessen, Darling, wo in Deutschland du deine Ausbildung gemacht hast?«, hatte Berenice geflötet.
    »In München«, hatte Eva scheinbar ungerührt geantwortet. Und solche Spielchen hatten sich über den Abend fortgesetzt, bis Eva ein Unwohlsein vorgespiegelt und das Fest, das ihr zu Ehren gegeben wurde, fluchtartig verlassen hatte.
    Berenice war auch der Grund,

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