Die Maori-Prinzessin
um meinen Bruder«, seufzte Eva.
»Hoffentlich schützt ihn das«, knurrte Daniel und deutete unauffällig auf den Tisch, an dem der junge Architekt saß. Henry reckte nervös den Hals und blickte suchend in alle Richtungen. Offenbar vermisste er seine Braut, doch dann wurde er auffallend bleich. Eva und Daniel folgten seinem Blick. Berenice und Hans waren die Attraktion auf der Tanzfläche. Das war kein Tanz mehr, sondern ein einziges Werben umeinander. Berenices Augen glühten, als würden sie Feuer sprühen. Und Hans war deutlich anzusehen, dass er bereits in Flammen stand.
»Komm, wir gehen. Wir können nichts mehr tun. Wir hätten ihn festhalten müssen, als die kleine Schlange ihn auf die Tanzfläche entführt hat«, knurrte Daniel.
»Halt!«, flüsterte Eva ihm ins Ohr. »Ich kann meinen Bruder nicht sehenden Auges in sein Unglück laufen lassen. Er ist vermögend und sieht gut aus. Und wenn sich Berenice etwas in den Kopf setzt, dann bekommt sie es auch …«
»Jedenfalls meistens«, scherzte Daniel.
»Aber ich muss bleiben, bis dieser Balztanz vorüber ist, um ihn zu warnen. Warte, ich habe schon eine Idee.«
Eva entzog Daniel ihren Arm und steuerte auf den Architektentisch zu. Die jungen Männer musterten sie irritiert. Dass sie ausgerechnet auf diejenigen zutrat, die alles darangesetzt hatten, ihre Reputation als erfolgreiche Innenarchitektin zu zerstören … Eva setzte ein Lächeln auf und näherte sich Henry, dem die offensichtliche Begeisterung seiner Braut für den blonden Hünen deutlich zugesetzt hatte. Er wirkte wie ein kleiner Junge, dem man sein Spielzeug weggenommen hatte. Eigentlich müsste es mich befriedigen, ihn leiden zu sehen, war er doch maßgeblich an der Kampagne gegen mich bei der Eröffnung des Hay-Bürohauses beteiligt gewesen, ging es Eva durch den Kopf, aber es ließ sie völlig kalt.
»Kann ich Sie bitte einmal unter vier Augen sprechen?«
Zögernd erhob sich der junge Mann, der, wenn Eva ihn mit Hans verglich, nicht annähernd so attraktiv war wie ihr Bruder. Das war Eva natürlich damals in Badenheim nicht aufgefallen. Sie hatte ihn nie unter diesem Aspekt betrachtet, doch hier, auf dem gesellschaftlichen Parkett, schien er eine begehrenswerte Partie für die Damen zu sein.
Eva bewegte sich vom Festsaal fort zu einer ruhigen Ecke auf dem Flur des Hotels. Der junge Architekt folgte ihr wie ein geprügelter Hund.
»Lieben Sie Berenice?«, fragte Eva ohne Umschweife.
»Sie ist meine Braut!«, entgegnete Henry steif.
»Wollen Sie, dass sie das bleibt?«
»Was soll die Frage?« Er versuchte, eine überlegene Miene zu ziehen.
»Haben Sie keine Augen im Kopf? Ihre Braut steht gerade im Begriff, sich meinen Bruder zu schnappen oder er sie …«
»Ihr Bruder?« Henry wurde noch bleicher, als er es ohnehin schon war, seit seine Verlobte ungeniert mit einem anderen turtelte.
»Ja, Hans ist mein Bruder. Er ist erst vor wenigen Tagen aus Kalifornien hergekommen.«
»Ich weiß, wer Herr Schindler ist. Schließlich ist er der Geschäftspartner meines Freundes Ben. Und soviel ich weiß, ist er ein Verwandter von Berenice. Und damit keine Gefahr.«
»Um etliche Ecken, wie Ihre reizende Verlobte immer betont hat. Auf diese Karte würde ich nicht setzen, lieber Henry. Wenn Sie nichts unternehmen, wird Ihre Braut sehr bald Misses Schindler sein.«
»Sie sind ja verrückt!«
»Wenn Sie meinen. Dann lassen Sie uns nachsehen, wie weit das Getändel inzwischen gediehen ist.«
»Sagen Sie mal, warum sind Sie so erpicht darauf, dass mir meine Braut erhalten bleibt?«
»Weil ich meinem Bruder und dem Rest der Familie ein aufgefrischtes Verhältnis zu Berenice ersparen möchte!«
»Und was schlagen Sie vor, für den Fall, dass hier rein theoretisch eine Gefahr bestünde, was ich, unter uns, für lächerlich halte. Ihr Bruder ist ein dahergelaufener Deutscher, und ich komme aus einer der angesehensten Familien der Region.«
Eva lachte. »Mein Bruder ist vermögend und attraktiv. Des Weiteren besitzt er den Reiz, mein Bruder zu sein, und Ihre reizende Braut wird ahnen, dass mir eine Verbindung der beiden mächtig gegen den Strich gegen würde. Was den Reiz, es darauf anzulegen, mit Sicherheit erhöhen wird!«
»Alles Unsinn! Aber Sie haben mir meine Frage noch nicht beantwortet! Was würden Sie mir raten?«
»Ich würde Ihnen raten, Berenice sofort zur Seite zu nehmen, ihr deutlich zu machen, dass sie sich als Ihre Verlobte unmöglich benimmt und dass sie deshalb leider gemeinsam
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