Die Maori-Prinzessin
es ihm lieb war. Und auch sie hatten Musketen dabei, die sie nun auf Tom richteten.
»Hände weg!«, brüllte der Häuptling in schlechtem Englisch.
Ahorangi glitt vom Pferd und klammerte sich ängstlich an ihren Mann.
»Vater, er ist nicht der Mann, der mich entführt hat. Er hat mich vor den Kerlen gerettet!«, rief sie in ihrer Heimatsprache.
»Zur Seite!«, schrie ihr Vater sie an, doch stattdessen stellte sie sich mit ausgebreiteten Armen vor Tom. »Wenn du ihn erschießen willst, muss du erst mich töten!«
Das verschlug Häuptling Kanahau für einen Augenblick die Sprache.
»Sei vernünftig, Ahorangi, dein Vater wird dich mit nach Hause nehmen, ob es du willst oder nicht. Du gehörst zu uns!«, flehte Hehu sie an, doch sie rührte sich nicht von der Stelle.
»Sie ist meine Frau und wird bei mir bleiben!«, brüllte Tom.
»Stimmt das?«, fragte Hehu ungläubig.
»Ja, ich liebe ihn. Ich habe ihm vor Gott mein Wort gegeben!«
»Was sagt sie?«, fragte der Häuptling unwirsch.
Hehu klappte den Mund auf, dann schloss er ihn wieder. Offenbar wollte er nicht der Überbringer dieser Botschaft sein.
»Ich bin seine Frau!«, wiederholte Ahorangi so langsam und deutlich, dass auch ihr Vater den Sinn ihrer Worte begriff.
»Ein Pakeha kann nicht dein Mann sein!«, antwortete der Häuptling mit Pathos in der Stimme. »Dein Mann heißt Hehu!« Er deutete mit großer Geste auf den jungen Maori, dem, seit Ahorangi ihn mit der für ihn grausamen Wahrheit konfrontiert hatte, jeglicher kämpferische Zug aus dem Gesicht gewichen war. Er schien merklich verunsichert.
»Na los! Schnapp sie dir!«, feuerte Kanahau ihn an.
Hehu aber rührte sich nicht vom Fleck. Hilflos blickte er zwischen seiner ehemaligen Braut, die bereit war, für das Leben eines anderen ihres zu geben, und dem Häuptling hin und her.
»Worauf wartest du?«, fuhr ihn Kanahau an.
»Ich gehe unter einer Bedingung mit euch«, verkündete Ahorangi mit fester Stimme.
»Lass hören!«, brummte ihr Vater.
»Ihr krümmt ihm kein Haar!«
»Ich lass dich nicht ziehen«, protestierte Tom, aber sie ging gar nicht darauf ein. »Wenn ihr schwört, Tom nichts anzutun, gehe ich mit euch!«
Hehu übersetzte dem Häuptling Ahorangis Vorschlag. Kanahau kratzte sich am Kinn und überlegte. Schließlich nickte er.
»Versprich es bei unseren Ahnen«, befahl sie.
Kanahau verstand und schwor bei den Ahnen, den Pakeha zu verschonen.
Ganz langsam bewegte sich Ahorangi auf ihren Vater zu. Tom stand jetzt ohne jegliche Deckung da, während zwei bewaffnete Männer ihre Musketen auf ihn richteten. Ahorangi aber wusste eines: Wenn ihr Vater etwas bei den Ahnen schwor, würde er es auch halten.
Kaum war sie in Kanahaus Griffweite, packte er sie grob am Arm und schimpfte auf sie ein. Hehu sah dem Ganzen eher gequält zu, während Tom wie ein Panther zum Sprung ansetzte. Mit einem Satz hatte er sich auf den Häuptling gestürzt und ihn samt seiner Waffe auf den Boden geworfen. Ahorangi hatte sich vorher losgerissen.
»Rührt meine Frau nicht an!«, brüllte Tom außer sich vor Zorn, doch das nützte ihm nichts, weil Hehu nun die Muskete auf ihn richtete und ihn aufforderte, den Häuptling loszulassen. Widerwillig tat Tom, was der Maori verlangte.
Unter lauten Flüchen rappelte sich der Häuptling vom Boden auf. »Du hast dein Leben verwirkt, Pakeha!«, drohte er Tom und schubste seine Tochter zu Boden, bevor sie sich erneut vor ihren Mann werfen konnte.
»Halt sie fest. Ich kümmere mich um den Pakeha!«, befahl der Häuptling. Hehu gehorchte, zog Ahorangi aus dem Dreck und ließ ihren Arm nicht los, obwohl sie nach ihm trat.
Kanahau aber trieb Tom mit der Muskete zu der Grube. »Sprich noch ein Gebet zu deinem Herren, wenn’s unbedingt sein muss!«, sagte er auf Maori. Tom verstand nicht, was er sagte. Seine Angst galt nicht dem sicheren Tod, sondern dem, was nach seinem Tod aus Ahorangi würde. Und was würde mit seinem Kind geschehen?
»Halt, ich will mich noch von ihm verabschieden, denn ich trage sein Kind unter dem Herzen«, hörte er da Ahorangis Stimme befehlen. Dann wiederholte sie es in ihrer Sprache. Tom drehte sich um. In ihrem Gesicht stand nicht die Spur von Angst geschrieben, sondern die wilde Entschlossenheit einer Kriegerin. In diesem Augenblick wusste Tom, dass sie ihn beschützen würde und nicht er sie. Und eine innere Ruhe breitete sich in ihm aus. Sie würde nicht zulassen, dass sie ihn umbrachten.
Kanahau schien wie betäubt und winkte seine
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