Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Maori-Prinzessin

Die Maori-Prinzessin

Titel: Die Maori-Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
Vom Netzwerk:
auch ihr Hut verschwunden war.
    Vom Krankenhaus wurden Betten herbeigeschleppt. Und überall dazwischen jammernde Menschen, weinende Kinder und leblose Körper.
    »Ich glaube, sie sind nicht hier«, bemerkte Hariata traurig, nachdem sie sich zur anderen Seite durchgekämpft hatten. Doch dann blieb ihr Blick an einer Gestalt hängen, die auf einem weißen Laken wie tot dalag.
    »Großmutter!«, schrie sie auf und immer wieder: »Großmutter!«
    Die alte Maori öffnete die Augen, aber sie schien an ihrer Enkelin vorbeizublicken. »Die Ahnen haben sie alle zu sich genommen. Deinen Vater, deinen Bruder, deine Mutter. Wir sind vor die Tür gerannt; das Überdach hat uns unter sich begraben. Ich bin die Letzte, die geht, aber du wirst leben, Haratia!«, murmelte sie.
    Ihre Enkelin hockte sich verzweifelt zu ihr auf den Boden. »Bitte bleib bei mir! Du darfst mich nicht alleinlassen«, flehte sie, doch die alte Frau schloss die Augen und stimmte einen klagenden Singsang an, der immer leiser wurde, bis er ganz verstummte.
    Eva setzte sich neben die schluchzende Hariata und nahm ihre Hand. »Komm, lass uns zusammenbleiben. Du kommst mit zu unserem Haus.«
    Hariata sah Eva mit verheulten Augen an. »Wie kannst du sicher sein, dass es noch steht? Eva, die Stadt ist zerstört! Sieh dich um. Wohin das Auge schaut, überall Trümmer, Verwüstung, Elend!«
    Eva wurde noch blasser. »Wir müssen wenigstens nachsehen. Aber erst einmal suchen wir Adrian. Der ist bestimmt in Sicherheit. Das Gebäude der technischen Schule ist groß und stabil gebaut.«
    Hariata zögerte, doch dann rieb sie ihre Nase an der alten Frau und murmelte etwas auf Maori. »Ich kann sie nicht alleinlassen«, sagte sie zu Eva. »Ich muss sie doch nach ihren Ritualen begraben.«
    »Das kannst du, nur nicht jetzt. Lass uns erst die Lebenden suchen. Die Toten können nicht weglaufen. Und keiner wird sie uns wegnehmen. Ich habe meine Schwiegermutter auch zurücklassen müssen, aber ich komme wieder. Zusammen mit Adrian, und dann erhält sie ein Begräbnis.«
    Unschlüssig erhob sich die junge Maori und folgte Eva, deren Schritte immer schneller wurden, je mehr sie sich dem Clive Park näherten. Die Angst, Adrian könne etwas zugestoßen sein, verlieh ihr Flügel. Hariata kam kaum hinterher. Als der Park auf der rechten Seite auftauchte und Eva linker Hand, dort, wo die Schule stehen sollte, nur noch einen riesigen Trümmerhaufen sah, schrie sie laut auf und rannte los. Kurz vor dem Ziel stolperte sie über herumliegende Steine. Hariata kam keuchend herbeigeeilt und wollte Eva beruhigen, doch sie schrie wie von Sinnen den Namen ihres Mannes. »Adrian, Adrian!«, schallte es verzweifelt durch die gespenstische Straße. Hariata half Eva beim Aufstehen und stützte sie, denn Eva hatte sich die Knie und Ellenbogen aufgeschlagen und blutete.
    »Wir finden ihn schon«, versuchte Hariata Eva zu beruhigen, doch es half alles nichts. Eva war krank vor Sorge um Adrian.
    Als sie die komplett in sich zusammengefallene Schule erreicht hatten, konnte Hariata Eva gerade noch davon abhalten, auf den Trümmerberg zu steigen. Und schon kam ein Mann herbeigeeilt, der sie bat, zügig weiterzugehen, weil der Anblick der toten Jungen nichts für sie wäre.
    »Ich suche jemanden«, stieß Eva panisch hervor. »Ich muss ihn finden! Einen Lehrer!«
    Der fremde Mann musterte sie. »Es sind nur noch ein paar von den Jungen unter den Trümmern verschüttet. Wir wollten sie retten, da brach das Dach über ihnen ein. Es ist nichts mehr zu machen, aber die Lehrer haben alle überlebt.«
    »Wo sind sie?«
    »Einige haben sie in den botanischen Garten gebracht, andere haben sich zum Strand gerettet. Wen suchen sie denn?«
    »Adrian. Adrian Clarke!«
    Das sorgenvoll zerfurchte Gesicht des Mannes erhellte sich. »Ach, Adrian suchen Sie. Der war nicht in der Schule, als es geschah.«
    »Woher wissen Sie das so genau?«
    »Ich habe Adrians Unterrichtsstunde abgenommen. Nach dreißig Minuten war ich sicher, er ist mein Mann. Ein wunderbarer Lehrer. Er hat bestanden …«
    Eva aber war nicht mehr ganz bei Sinnen. »Wo ist er? Ich will wissen, wo er ist!«, unterbrach sie ihn panisch.
    »Nun beruhigen Sie sich, Mädchen. Wenn sich hier jeder so aufführen würde? Was meinen Sie, wie es für die Eltern der Jungen ist, deren Lachen sie nie wieder hören werden? Das Unglück betrifft nicht nur Sie, sondern uns alle.«
    Eva sah den Mann aus großen Augen an, und ihr wurde bewusst, dass er recht hatte.

Weitere Kostenlose Bücher