Die Maori-Prinzessin
sie ein wenig rudern gehen.«
»Aber was ist denn passiert?«
Tom wischte sich mit dem Ärmel seines Arbeitshemdes über das Gesicht.
»Die Strafe des Herren«, murmelte er. »Das war die Strafe des Herrn!«
»Wovon sprichst du?«, hakte Lucie ungeduldig nach. Ihr war sein Benehmen unheimlich. Tom hatte sich doch sonst immer im Griff. Was konnte ihn so aus der Bahn geworfen haben? Er sah schrecklich aus. Seine Haut war aschfahl und seine Augen verquollen. Plötzlich sank er vor ihr auf die Knie. Sie wollte schreien: »Steh sofort auf!«, aber dieser Anblick verschlug ihr förmlich die Sprache.
»Kannst du mir verzeihen?«, flehte er.
Ganz langsam bekam Lucie eine Ahnung, wofür er sich mit dieser Geste bei ihr entschuldigen wollte, doch sie wollte es ihm nicht so einfach machen. Also schwieg sie.
»Ich, ich habe dich im Stich gelassen mit deinem ganzen Kummer. Verzeih mir.« Tom hatte ihre Hand ergriffen und drückte sie heftig. So sehr, dass es ihr wehtat, aber Lucie verzog keine Miene. »Ich, ich war nicht der Mann an deiner Seite, sondern habe hilflos reagiert, als du das Bett nur noch ungern mit mir teilen wolltest. Und da war Elisa. Jung und willig …«
Lucie hörte nur noch das Rauschen in ihren eigenen Ohren. Er gab es also zu. Was wollte er ihr sagen? Dass er sie zugunsten dieser jungen Frau verlassen wollte?
»… ich bin schwach geworden. Ein paar Mal nur. Du musst es mir glauben, ich habe das Verhältnis beendet, nachdem Elisa verlangt hat, dass ich sie zu meiner Ehefrau mache. Da wusste ich: nein, ich liebe dich, aber ich wusste nicht, wie ich den Weg zurück zu dir finden sollte …« Er stockte und blickte sie aus feuchten Augen an. Noch immer kniete er vor ihr.
Lucie war mit einem Mal ganz ruhig. Sie hörte die Liebeserklärung ihres Mannes zwar, seine Worte aber erreichten nicht ihr Herz.
»Sprich weiter!«, forderte sie ihn ungerührt auf.
»Ich wollte es dir sagen. Glaube mir, aber dann teilte sie mir mit, dass sie schwanger ist …«
Das war der Augenblick, in dem Lucie aus ihrer Erstarrung erwachte. Sie hielt sich panisch die Ohren zu. »Ich will das nicht hören«, schrie sie. »Das nicht!«
Ihr Herz pochte ihr bis zum Halse, während sie gegen eine entsetzliche Übelkeit ankämpfte. Alles würde sie ertragen, alles, bis auf ein Kind von dieser Frau und Tom.
»Du musst mich anhören! Bitte!«, brüllte Tom so laut, dass Lucie es trotzdem hören konnte.
Sie ließ die Arme sinken.
»Ich wollte es dir selber sagen, aber ich habe mich nicht getraut. Deshalb habe ich sie nach Meeanee geholt. Damit du nicht eines Tages ihren Bauch siehst und es auf diese Weise erfährst.«
»Und warum hast du es mir nicht gesagt? Verdammt noch mal. Warum warst du so feige?«
Laut stöhnend erhob sich Tom vom Boden und ließ sich in den Sessel neben ihr fallen. »Ich, ich hatte Angst um dich. Ich wusste doch, dass ich dir Schlimmeres nicht hätte antun können nach allem, was du erlitten hast. Ich dachte, du würdest mich verlassen und mit Tommy womöglich zu deinem Stamm zurückgehen. Ach, ich weiß es auch nicht. Nur eines weiß ich: Ich bin ein jämmerlicher Feigling!«
»Und nun? Jetzt weiß ich es. Und ich lebe noch. Also was willst du noch? Meinen Segen, dass du mit ihr leben kannst? Bitte, den hast du! Aber ich behalte Tommy!«
Er sah sie gequält an. »Nein, nein, das habe ich vorher nicht gewollt und jetzt …«
»Was willst du dann?«
»Dich um Verzeihung bitten!«
»Und Elisa? Verzichtet sie auf dich? Und was ist dem Kind?«
Tom senkte den Blick zu Boden. »Elisa ist tot!«
»Wie tot?«
»Sie ist heute bei der Geburt ihres Kindes gestorben!«
»Und das Kind?«
»Miss Benson hat es mitgenommen und wird es im Waisenhaus abgeben.«
Lucie musterte ihren Mann fassungslos. »Du hast dein Kind ins Waisenhaus gegeben?«, fragte sie ungläubig, bevor sie sich aus dem Schaukelstuhl erhob und Tom eine Ohrfeige versetzte. Erst eine, und dann noch eine. »Was bist du nur für ein Mensch? Du gibst dein eigenes Kind in ein Waisenhaus?«
»Ich … nun … ich dachte, weil … ich meine, was soll ich, ich …«, stammelte Tom.
»Wo ist das Waisenhaus?«, fragte Lucie in scharfem Ton.
»Es ist auf dem Weg zum Bluff Hill. Auf halber Höhe ungefähr«, erwiderte Tom, während er sich die Wangen rieb. Lucie hatte so fest zugehauen, dass sie die Abdrücke ihrer fünf Finger auf seinen Wangen hinterlassen hatte.
Lucie aber kümmerte sich nicht mehr um ihren Mann, eilte ins Haus und machte sich zum
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