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Die Maori-Prinzessin

Die Maori-Prinzessin

Titel: Die Maori-Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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einigermaßen bewältigte. Nach außen war sie um Normalität bemüht, aber innerlich empfand sie nichts als Leere. Und sie wusste auch, warum: Sie hatte vor dem Fluch ihres Vaters kapituliert. Sie war sich sicher, dass all dies die Strafe für ihre frevelhafte Tat war. Die Strafe für den Mord war hart. Sie bildete sich indessen ein, dieses Schicksal, die Wandlung binnen weniger Jahre von einer bildschönen, temperamentvollen Frau in eine unbewegliche Matrone, verdient zu haben.
    Lucie stieß einen tiefen Seufzer aus. Ihr taten wieder einmal sämtliche Knochen weh. Sie fühlte sich wie ein Walross. Doch ihre Haut war nicht dick genug, um das an sich abprallen zu lassen, was jeder in Napier wusste: dass Tom mit der jungen blonden Elisa ein Verhältnis hatte. Natürlich sagte ihr das keiner offen ins Gesicht. Im Gegenteil, wenn sie durch den Ort ging, grüßten die Leute zwar freundlich, aber sobald sie vorüber waren, hörte sie das Tuscheln in ihrem Rücken. Genauso wie heute im Kolonialwarenladen. Kaum hatte sie ihn betreten, waren die Gespräche verstummt.
    Manchmal wünschte sie sich, Bruder Pierre wäre noch in der Mission und sie könnte sich bei ihm aussprechen, doch sowohl er als auch Pater Claude waren zurück nach Frankreich gegangen. Ihre Nachfolger waren ihr fremd geblieben, wenngleich Tom mit ihnen noch bessere Geschäfte machte als zuvor. Lucie drückte sich dennoch, wann immer sie konnte, davor, in die Kirche zu gehen. Sie empfand ihre eigene Taufe und alles, was damit zusammenhing, als Heuchelei, ja, sogar als Frevel, für den sie bitter zu büßen hatte.
    Lucie fühlte sich sehr allein, obwohl Harakeke sich alle Mühe gab, ihr eine gute Ratgeberin zu sein. Aber die Beziehung der beiden Schwestern war zurzeit nicht die allerbeste, seit Harakeke ihr ziemlich offen die Wahrheit ins Gesicht geschleudert hatte. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, hatte Harakeke sie »selbstmitleidig« genannt. Lucie konnte sich noch an jedes Wort dieses Streites erinnern.
    »Du kannst keine Kinder mehr bekommen. Na und? Ist das ein Grund, sich derart gehen zu lassen?«
    Lucie hatte geweint. »Ich kann doch nichts dafür. Ich bin verflucht!«
    »Du machst es dir verflucht einfach. Sitzt faul rum, lässt die anderen arbeiten und deinen Mann mit einem Mädchen schla …« Harakeke hatte sich zwar erschrocken die Hand auf den Mund geschlagen und versucht, sich rauszureden, aber Lucie hatte sie genau verstanden.
    »Du glaubst also, ich bin schuld, wenn mein Mann mit Elisa herumhurt?«
    Harakeke hatte sich tausendfach entschuldigt. Nein, das hätte sie nicht gemeint, sie würde sich nur wünschen, dass Lucie sich endlich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf des Selbstmitleids herauszöge. Doch es hatte alles nichts genützt. Lucie hatte zwar behauptet, ihrer Schwester verziehen zu haben, aber das stimmte nicht. Noch in diesem Augenblick spürte Lucie Zornesröte in sich aufsteigen, wenn sie an deren Worte dachte.
    Seitdem hatten sie nie wieder wirklich miteinander gesprochen, sondern flüchteten sich in oberflächliches Geplauder. Harakeke verbrachte inzwischen auch wesentlich mehr Zeit mit ihrem Neffen, dem kleinen Tommy, als mit seiner Mutter. Harakeke und der aufgeweckte zehnjährige Junge waren ein Herz und eine Seele. Der Kleine liebte es, im Haus seiner Tante herumzustromern. So wie auch an diesem Tag. Es war ein verwunschenes Haus, das ihre Schwester inzwischen allein bewohnte. Mister Dorson war vor drei Jahren gestorben, und Harakeke hatte seinen ganzen Besitz geerbt. Obwohl sie ihn bis zuletzt aufopfernd gepflegt hatte, wollten die Gerüchte nicht verstummen, dass die Maori bei seinem Ableben nachgeholfen hätte.
    Das Geräusch herannahender Schritte riss Lucie aus ihren Gedanken. Sie fuhr erschrocken herum. Mary war einkaufen und Tom auf dem Weingut. Jedenfalls hatte sie das vermutet, doch nun trat er bleich wie der Tod auf die Veranda und ließ sich auf einen der Stühle sinken. Er schlug die Hände vors Gesicht. Lucie erstarrte, denn sie meinte, ihn schluchzen zu hören. Das hatte sie das letzte Mal vor drei Jahren erlebt, als ihr zweiter Sohn wenige Stunden nach der Geburt bewusstlos geworden und dann gestorben war. Sie hielt den Atem an. Plötzlich überkam sie ein grausamer Gedanke.
    »Es ist nichts mit Tommy, oder?«, stieß sie panisch hervor.
    Tom ließ die Arme sinken und sah sie aus traurigen Augen an.
    »Nein, ich habe ihn eben mit Harakeke getroffen. Sie hat ihm ein kleines Boot gekauft. Damit wollten

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