Die Marionette
hätten uns nie wiedersehen dürfen«, sagte er leise.
Ihre Finger umschlossen die seinen. Ihr Blick flog suchend über sein Gesicht. Wie oft hatte er sich nach diesen grauen Augen gesehnt. Hatte sich gefragt, wie es ihr ging, was sie machte.
»Ich habe dich vermisst«, flüsterte sie und sprach damit seine eigenen Gedanken aus. »Ich habe Angst um dich gehabt.«
Er zog sie sanft in seinen Arm, spürte ihren Körper, das Schlagen ihres Herzens. Es war verdammt lange her, dass er eine Frau so nah an sich hatte herankommen lassen. Dass er selbst so viel gewagt hatte. Und es war nicht gut ausgegangen. Sie reckte sich ihm entgegen, und er atmete den Geruch ihres Haars, ihrer Haut ein. »Du weißt, dass wir das nicht tun sollten«, bemerkte er leise, bevor er sie küsste.
»Ja«, antwortete sie. »Das weiß ich.«
***
Kabul, Afghanistan
»Wo ist Eric Mayer?«, wollte der Botschafter wissen. »Was haben Sie mit ihm gemacht?«
Don Martinez lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Er ist weg.«
Samuel Jespers runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das?«
»Warum setzen Sie sich nicht, Botschafter?«, sagte Martinez, ohne auf seine Frage einzugehen. »Ich denke, wir haben ein paar Dinge zu besprechen. Ganz in Ruhe.« Er warf Jespers einen scharfen Blick zu. »Zum Beispiel über die Vorgänge im Auslieferungslager der Larenz-Werke hier in Kabul.«
Martinez beobachtete mit Genugtuung, wie die Farbe aus dem Gesicht des Botschafters wich. »Was …?«
Martinez schüttelte den Kopf. »Setzen Sie sich.«
»Ich ziehe es vor, stehen zu bleiben.«
»Wie Sie meinen«, bemerkte Martinez. »Möchten Sie etwas trinken,
Sir?
«
»Kommen Sie endlich zur Sache.«
»Sicher, gern.« Martinez lehnte sich etwas vor. »Zusammen mit Agent Barrett habe ich diesem Auslieferungslager einen Besuch abgestattet. Wir waren überrascht, wie viele zivile US -Amerikaner dort arbeiten.« Er senkte seine Stimme. »Männer und Frauen, die allesamt einen guten Kontakt zur ehemaligen Firma unseres verblichenen Senators haben.«
Die Furche zwischen Jespers’ Augenbrauen vertiefte sich.
Martinez’ Blick wurde kalt. »Sie wussten davon, nicht wahr, Botschafter? Haben Sie von Beginn an mit Reynolds zusammengearbeitet oder …?«
»Ich werde mich mit Ihnen auf diesem Niveau nicht weiter unterhalten.« Jespers wandte sich zur Tür. »Ihr Verhalten ist anmaßend, Martinez. Das wird Konsequenzen für Sie haben.«
Martinez verzog keine Miene. Der Botschafter spielte gern seine »guten Verbindungen« aus, Martinez hatte schon davon gehört. Er hatte jedoch nicht erwartet, dass Jespers es ihm gegenüber versuchen würde. Er lehnte sich noch ein Stück weiter vor. »Ich habe bereits mit dem
State Departement
gesprochen,
Sir.
«
Jespers lauschte schweigend. Erst als Martinez fertig war, entfuhr ihm mit vor Wut bebender Stimme: »Das werden Sie bereuen, Martinez.« Ohne den CIA -Agenten noch eines einzigen weiteren Blickes zu würdigen, setzte er seine schwungvolle Unterschrift unter das Schreiben, das dieser ihm wortlos über den Tisch zugeschoben hatte, und verließ den Raum.
Martinez faltete das Dokument mit der Unterschrift des Botschafters und ließ es in seine Tasche gleiten, dann griff er nach seinem Rucksack, der bereits gepackt neben dem Schreibtisch stand. In zwei Stunden würde Reynolds’ Entourage mit den sterblichen Überresten des Senators Afghanistan verlassen, und dann war auch Martinez’ Job hier erledigt. Samuel Jespers würde ihm keine Träne nachweinen, mehr noch, Martinez war sich durchaus im Klaren darüber, dass er sich gerade einen mächtigen Feind geschaffen hatte. Der Botschafter würde hinter den Kulissen Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um ihn aus der Firma zu kicken. Aber Eric Mayer hatte es nicht verdient, auf der Abschussliste der CIA zu landen.
[home]
23. Mai
Rheinland-Pfalz, Deutschland
I m Dunst des frühen Morgens blickte Katja über das Gelände des Klosters. Eine lang vermisste Ruhe breitete sich in ihr aus. Klarheit, wie sie nur der Moment vor dem Gefecht innehatte. Sie atmete tief ein, spürte, wie sich ihre Sinne schärften. Jeder Laut, der in der morgendlichen Stille aus dem Innenhof unter ihr aufstieg, bekam Bedeutung. Die Farben begannen zu leuchten, jede Pore ihrer Haut reagierte auf den leichten Wind, der noch die Feuchtigkeit der sich auflösenden Nebelschwaden in sich trug und gleichzeitig schon die Wärme der eben aufgehenden Sonne. Sie spürte jede Unebenheit des Bodens, das Gras, Steine,
Weitere Kostenlose Bücher