Die Marionette
Menschen hallten bis zu ihr herauf, sie sah, wie die Polizisten, die außerhalb des Gebäudekomplexes stationiert waren, auf das Tor zustürmten. Der Minister war vom Podium gestürzt, wurde sofort verdeckt von seinen Sicherheitsbeamten. Sie hatte ihre Chance vertan. Jetzt musste sie fort. Auf der Stelle. Der Beamte, den sie statt des Ministers getroffen hatte, wusste, woher der Schuss gekommen war. Warum auch immer. Wenn er noch lebte, sprechen konnte, würde das Gelände gleich von Polizei wimmeln. Sie hielt den Atem an und lauschte. Hörte sie da schon das Geräusch eines Hubschraubers? Sie packte das Gewehr und rannte zwischen den Reihen der Weinreben geduckt den Hügel hinunter. Sie musste das Waldstück erreichen, bevor sie sie entdeckten.
Es würde Straßensperren geben.
Der Wagen stand gut getarnt unter dem Dach eines offenen Heuschobers. Sie schraubte ihr Gewehr auseinander und verstaute es im Koffer. Dann klappte sie ihren Laptop auf. Sie hatte sich, bevor sie aufgebrochen war, in das Netzwerk der Polizei eingeloggt. Das meiste würde über Funk und Mobiltelefone laufen. Sie starrte auf den Bildschirm, aber es gab nichts außer einer ersten ots-Meldung. Sie startete ihr E-Mail-Programm und rief die Mail auf, die sie in der Nacht vorbereitet hatte, überprüfte ein letztes Mal die Empfänger.
Sie müssen ein Ziel haben, eine Perspektive.
Sie klickte auf
Senden.
Augenblicke später hörte sie tatsächlich das Geräusch eines sich nähernden Hubschraubers. Wenn sie Infrarotsensoren hatten, war sie geliefert. Reglos verharrte sie im Wagen, aber der Hubschrauber flog über sie hinweg. Es war ein Rettungshubschrauber. Sie atmete erleichtert auf. Der Sicherheitsbeamte lebte noch.
Sie ließ den Motor an und fuhr den Feldweg hinunter ins nächste Dorf. Menschen standen auf der Straße und diskutierten aufgeregt miteinander. Sie wussten bereits, was geschehen war. Katja sah es in ihren Gesichtern. Sie hatten es im Fernsehen verfolgt und warfen dem Wagen misstrauische Blicke zu, sahen dann jedoch eine Frau am Steuer und ignorierten sie. Später würden sie sich an die dunkle Limousine mit Hamburger Kennzeichen erinnern. Sie würden mit der Polizei reden und der Presse. Und sie würden wissen, wen sie gesehen hatten. Katja dachte an Eric Mayer, als sie auf die Bundesstraße einbog. Sie musste jetzt schnell Kilometer zwischen sich und den Ort des Attentats bringen. Viele Kilometer, bevor er von den Geschehnissen erfuhr.
***
Hamburg, Deutschland
Eric Mayer starrte ungläubig auf die Bilder, die über den Fernsehschirm flimmerten. Ein Attentat auf den Verteidigungsminister während der Trauerfeier für die in Afghanistan gefallenen Soldaten.
»Kurt sagt, es gibt konkrete Hinweise, dass Katja Rittmer die Täterin ist.« Valerie hielt noch immer ihr Mobiltelefon in der Hand. Sie war blass, völlig außer Fassung. Meisenberg hatte sie gerade angerufen.
Mayers Gedanken rasten.
Der Minister war dank des selbstlosen Einsatzes seines persönlichen Sicherheitschefs unverletzt geblieben. Der Beamte des BKA hatte die Kugel abgefangen. Er lag in einem Krankenhaus in der Umgebung auf der Intensivstation und schwebte in Lebensgefahr. Die Kanzlerin hatte eine kurze Stellungnahme abgegeben, in der sie die Tat auf das Schärfste verurteilte. Ersten Erkenntnissen nach hatte sich der Schütze auf einem der Hügel, zwischen denen das Kloster lag, positioniert und aus etwa anderthalb Kilometer Entfernung geschossen. Nur ein Profi verfügte über entsprechendes Waffenmaterial und die nötigen Fähigkeiten.
Mayer zögerte nicht länger, zog sein Mobiltelefon aus der Tasche und schob den Akku wieder hinein. Martinez hatte den Akku bereits in Kabul herausgenommen, um eine GPS -Ortung seines deutschen Kollegen zu verhindern. Aber darauf konnte Mayer jetzt keine Rücksicht mehr nehmen.
Florian Wetzels Stimme überschlug sich fast vor Erleichterung. »Mann, Chef, ich bin so froh, von Ihnen zu hören! Wir stecken hier echt in der Scheiße, wenn ich das mal so sagen darf.«
Das war noch milde ausgedrückt. Bei den großen Zeitungsverlagen war ein Bekennerschreiben eingegangen, wie Wetzel erzählte. Der Anschlag sei als Vergeltungsschlag zu verstehen für die durch deutsche Waffen in Afghanistan getöteten Soldaten. Es würden weitere Anschläge folgen, bis die Verantwortlichen sich stellten.
»Das klingt tatsächlich verdammt nach Katja.«
»Es ist ziemlich sicher, dass sie die Täterin ist«, bestätigte Wetzel. »Sie ist gesehen
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