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Die Marionette

Die Marionette

Titel: Die Marionette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Berg
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Sie zu sehen«, sagte er, und so, wie er es sagte, klang es ehrlich. »Wir haben ein Zimmer im Hilton für Sie reservieren lassen, da sind alle unsere auswärtigen Mitarbeiter untergebracht.« Am Taxistand blieb er stehen. »Ich würde gern Ihr Gepäck direkt ins Hotel schicken lassen, wenn es Ihnen recht ist.«
    Augenblicke später erreichten sie das Bundeskanzleramt, das nur einen Steinwurf vom Hauptbahnhof entfernt lag. Da verschiedene Ministerien in die Ermittlungen involviert waren, war das zentrale Lagezentrum hier eingerichtet worden. Valerie streifte die Fassade nur mit einem flüchtigen Blick, die große bronzene Skulptur davor. Sie musste ihren Personalausweis vorlegen und bekam einen Besucherausweis, der für die nächsten drei Tage gültig war. Dann folgte die Personenkontrolle, der Durchgang durch eine Schleuse. Augenblicke später erreichten sie das provisorisch eingerichtete Lagezentrum. Das Klingeln von Telefonen, leise Stimmen und der Geruch von Kaffee strömten ihnen durch die angelehnte Tür entgegen.
    Wetzel stieß die Tür auf und sagte: »Herzlich willkommen«, doch Valerie hörte seine Worte kaum. Eine andere Stimme überdeckte sie, machte sie taub für alles andere. Obwohl sie sie anderthalb Jahre nicht gehört hatte, hätte sie diese eine Stimme überall wiedererkannt. Ihr Pulsschlag erhöhte sich schlagartig, während ihr Blick suchend durch den Raum irrte, an dem Mann hängen blieb, der zusammen mit Eric Mayer über den Tisch gebeugt stand, die Stirn gerunzelt, einen Finger auf der Karte, die vor ihnen ausgebreitet war. Weder er noch Mayer hatten bislang die Frau bemerkt, die wie erstarrt in der Tür stehen geblieben war.
    Sie spürte, wie Wetzel ihren Arm nahm. »Er hat Ihnen nichts gesagt«, bemerkte er ungläubig.
    »Nein«, flüsterte sie atemlos. »Hat er nicht.«
    Als hätte er ihre Worte gehört, richtete sich Martinez in diesem Moment auf, und ihre Blicke trafen sich. Er hatte sich nicht verändert. Er stand dort genauso, wie sie ihn in Erinnerung hatte, wie er sie in ihren Träumen verfolgt hatte. Dieselbe katzenhafte Geschmeidigkeit, dieselbe kraftvolle, gefährliche Aura. Eine Welle der Übelkeit durchfuhr sie. Sie musste hier raus. Fort. Der Griff von Wetzels Fingern um ihren Arm verstärkte sich. »Bleiben Sie ruhig«, flüsterte er eindringlich, doch seine Stimme verlor sich. Sie war wieder in Rumänien, in ihrer Gefängniszelle, spürte die eisige Kälte des Betonbodens unter ihren Füßen, Martinez’ Augen auf sich. Hörte seine Stimme.
Wir werden nicht zulassen, dass du stirbst, aber wir werden dich an den Rand des Todes bringen …
    ***
    Brandenburg, Deutschland
    Es gibt immer einen Weg. Komm zurück.
Katja meinte, Erics Stimme zu hören, während sie die Worte auf dem Monitor ihres Laptops las, und ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Sie ließ den Kopf gegen die nackte Wand sinken. Putz rieselte aus einer der offen liegenden Fugen, staubte im Sonnenlicht, das durch das hohe Fenster fiel und ein helles Rechteck auf die schmutzigen Dielen warf. Es gab kein Zurück für sie. Eric sollte das wissen. Er war dabei gewesen, damals in Somalia. Intuitiv schloss sie die Augen, doch die Bilder, die sie bedrängten, waren in ihrem Kopf mit ihr verwachsen, wie ihre Arme und Beine. Sie ließen sich nicht einfach ausblenden, indem sie die Augen schloss. Oft genug hatte sie versucht, sie abzuschütteln, sie hinter sich zu lassen. Es hatte Zeiten gegeben, da schien es ihr beinahe zu gelingen. Es hatte Augenblicke voller Klarheit gegeben, in denen sie verstanden hatte, was geschehen war, warum es genauso hatte geschehen müssen. Doch diese Momente waren nicht von Dauer gewesen. Es waren nicht mehr als selige, flüchtige Träume, aus denen sie viel zu schnell wieder zurückgeworfen worden war in eine Wirklichkeit voller Zweifel und Ängste.
    Wie viele Menschen waren durch ihr Zögern, ihre Unentschlossenheit getötet worden? Wann würde es das nächste Mal geschehen? Da war wieder der Geruch der Holzfeuer, das staubige Orange der Marktschirme. Das strahlende Weiß der Hemden der Männer und die leuchtend bunten Gewänder der Frauen. Das schnelle Auf und Ab ihrer Stimmen, ihr kehliges Gelächter, das so abrupt endete und sich von einem Moment auf den anderen in jenen spitzen, panischen Schreien verlor, die selbst heute noch in ihren Ohren nachhallten. Plötzlich waren sie da gewesen. Das Sonnenlicht hatte sich in den schwarzen Läufen ihrer Gewehre gespiegelt, in ihren großen, weit

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