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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Liebe in Theorie? Er konnte ihr zwar erklären, was mit Theorie gemeint war, ihr aber nicht sagen, wie das Wort in diesem Fall auszulegen wäre. Aber der General wüßte sicher, was er sagte. Allerdings müsse er zugeben, überlegte Matthäus, daß ihn viel eher das Thema Tod in der Theorie beschäftige. Er habe ihn bisher ausschließlich in der Praxis kennengelernt und würde es als durchaus angenehm empfinden, wenn er künftig nur noch theoretisch stattfinden würde. Wie auf dem Schachbrett, meinte Juliane, die sich von Johannes das Spiel hatte erklären lassen. So ungefähr, antwortete Matthäus.
    Nur einer Frau kann so was einfallen, dachte sie, wir haben nämlich keine Zeit, Umwege zu suchen und alles erst kompliziert und wichtig aussehen zu lassen, sondern wir müssen auf geradem Wege den Haushalt ordnen, weil wir es sonst nicht schaffen. Männer hingegen müssen ihre Zeit offensichtlich mit Worten ausfüllen. Selbst den Korporal hatte sie schon beim Ausspucken von Worthülsen ertappt. Sie hatte sich mit ihm richtig gestritten, als er ihr einen Formulierungsvorschlag für ihre Handschrift gemacht hatte. Sie wollte ihre Gedanken zu einer Art Glaubensbekenntnis zusammenfassen und da war Matthäus mit diesem Satz gekommen: »Niemand darf Menschen beherrschen oder führen, der nicht den heiligen Eid schwört, daß er für die ihm anvertrauten Menschen die volle Verantwortung übernimmt.«
    »Geschwätz«, wehrte Juliane ab. »Volle Verantwortung! Dann müßte es ja auch eine leere geben, eine halbe oder eine Verantwortung, die nicht voll ist, und das wäre keine.« Außerdem störe sie der heilige Eid sehr: »Eid ist Eid, und wenn du heilig sagst, dann muß es auch einen geben, der weniger wert ist, und was heißt ›die ihm anvertrauten Menschen‹?« Sie explodierte: »Wer hat uns denn Napoleon anvertraut? Er hat sich die Menschen doch einfach genommen, niemand hat sie ihm anvertraut!«
    Matthäus, der sich nach anfänglichen Bedenken damit abgefunden hatte, daß seine Frau ihren Kopf mit politischen Gedanken vollstopfte, war jetzt nicht mehr so sicher, ob er sie darin weiter unterstützen sollte.
    Juliane steckte das Heft wieder in die Rocktasche und überlegte, ob sie es nicht lieber in jenem Versteck verbergen sollte, das Johannes ihr vor einigen Tagen gezeigt hatte. Ihre inzwischen fast bis zum Hals gefüllte Goldpuppe saß bereits im Geheimfach der Säule im Speisesaal.
    Gerter war zufällig auf den Mechanismus gestoßen, als er überlegte, ob es sich wohl um Paros-Marmor handelte, mit den Fingern über den glatten Stein strich und dann an einem goldenen Efeublättchen der kunstvoll angebrachten Umrankungen zupfte. Er erschrak, als plötzlich ein Stück der Säule geräuschlos zur Seite glitt und den Blick auf einen Hohlraum freigab. Es dauerte eine Weile, ehe er das Blättchen wieder fand, mit dem der Mechanismus in Gang gesetzt wurde. Als er das Geheimfach zum zweiten Mal öffnete, kam Juliane ins Zimmer und er zeigte ihr seine Entdeckung.
    Sie war begeistert und erzählte ihm erstmals, was es mit ihrer Goldpuppe auf sich hatte und daß sie Angst hatte, das inzwischen sehr kostbare häßliche Stück länger im Laden oder im Dachzimmer aufzubewahren. Johannes sagte ihr nicht, daß er die Puppe, randvoll mit Silbermünzen gefüllt, einst seiner Schwester geschenkt hatte.
    »Dann mach das Fach zum Puppenhaus«, schlug er vor und sie rannte zum Gartenhäuschen, um die Goldpuppe zu holen.
    Die Wachen vor dem Palast ließen das junge Paar durch, nachdem sich Georg als Neffe von Johannes Gerter zu erkennen gegeben hatte. Pjotr holte Johannes, der im ersten Augenblick nicht gerade glücklich darüber war, Georg wieder zu begegnen, dann aber an seine arme Schwester dachte, die es schon schwer genug hatte. Er könnte ihr zusammen mit Georg einen Brief schreiben, damit sie sich um ihren Sohn keine Sorgen mehr zu machen brauchte.
    Johannes betrachtete wohlgefällig das Mädchen neben seinem Neffen. Ein hübsches, frisches Ding, dachte er, ob sie wohl Deutsche ist?
    »Meine Verlobte Clärle«, stellte Georg sie ihm vor und Johannes erinnerte sich, von der Assenheimerin schon mal den Namen gehört zu haben.
    »Bist du nicht auch ein Stück mit uns gereist?« fragte er, als er dem niedlichen Kind die Hand reichte. Sie nickte aufgeregt.
    »Aber da waren Sie, Herr Oberleutnant, vorausgeritten.«
    Sie schlug sich die Hand vor den Mund. Georg hatte sie ausdrücklich gebeten, so wenig wie möglich zu sagen. Das nahm sie ihm

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