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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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sich Mössner in aller Eile von den kostbaren erbeuteten Möbelstücken, Spiegeln und Gemälden, behielt nur einen Koffer voller Pelze und edler Stoffe sowie natürlich die voll gestopfte Schmuckschatulle. Er weinte beinahe, als er seine Beute am Wegesrand im Schnee versinken sah, aber wenigstens konnten sie jetzt zu zweit den Wagen ziehen. Zu spät dachte er an sein Pferd.
    Ehe ihm einfiel, daß sie sich von dessen Fleisch ernähren könnten, waren von der abgemagerten Mähre nur noch blutige Knochen übrig. Als er diese wütend zur Seite stieß, um sich und Clärle vor den Wagen zu spannen, fiel sein Blick auf ein vielleicht zwölfjähriges Mädchen, das einem toten Soldaten am Wegesrand mit einem Messer das Fleisch von der Schulter schnitt und gierig in den Mund steckte.
    »Ich kann nicht mehr«, klagte Clärle, nachdem sie eine halbe Stunde lang schweigend nebeneinander den Wagen gezogen hatten.
    »Du mußt«, sagte Mössner mit zusammengebissenen Zähnen. Sie stolperte, stürzte und blieb mit dem Gesicht im gefrorenen Schneematsch liegen.
    »Komm, steh auf!« Er stieß sie mit dem Gewehrkolben an, aber sie rührte sich nicht. Er beugte sich zu ihr hinunter, sah, daß sie noch schwach atmete, aber die Augen geschlossen hielt.
    »Weiter, weiter!« drängten ihn die Rufe der Folgenden.
    »Dann bleibst du eben hier«, sagte Georg nur, nahm sie aus dem Geschirr und legte sie auf die Böschung neben der Straße, von der sie augenblicklich in den Graben hinunterrollte. Er überlegte, ob er schnell nachsetzen und ihr den weiten Pelzmantel abnehmen sollte, besann sich aber eines Bessern, als er eine Frau in seinen Wagen klettern sah. Er legte an, schoß sie herunter und sah mit so grimmigem Gesicht auf die hinter ihm Gehenden, daß diese einen Schritt zurückwichen.
    Dann sprang er selber in den Wagen, riß die Pelze aus der Truhe, legte sie über die große Schmuckschatulle auf die Bretter und warf die Truhe mit den schönen Stoffen Clärle hinterher. Er stopfte sich eine Handvoll Schnee in den Mund, spannte sich vor den Wagen und stapfte weiter.
    Die kleine Gruppe der Kosaken, die wenig später den Zug überfiel, hatte leichtes Spiel mit ihm und freute sich über die reiche Beute.
    Es war reiner Zufall, daß Juliane zwei Stunden später auf seine inzwischen gräßlich zugerichtete Leiche stieß. Sie hatte den Wagen erkannt, den die holländische Marketenderin schon seit dem Einmarsch in Moskau vermißte, und war abgestiegen, um zu sehen, wer unter den Rädern lag.
    »Seine Arme, seine Arme«, stammelte sie, als sie wieder auf den Bock kroch und sich an Matthäus schmiegte.
    »Abgenagt … seine Arme sind ganz abgenagt …«
    »Das waren die Wildhunde«, sagte er und gab sich Mühe sie nicht merken zu lassen, daß ihm ein Schauer über den Rücken lief.
    Erst am Abend sagte sie ihm, wen sie unter dem umgestürzten Wagen gesehen hatte.
    Dem langen Zug der Zivilisten war längst klargeworden, daß sich die weiter vorn marschierenden Regimenter aufgelöst hatten und von den Soldaten keine Hilfe mehr zu erwarten war. Wer noch Gewehr und Munition hatte, konnte versuchen, einen der großen und langbehaarten Wildhunde zu erlegen, die dem Zug heulend auf der Landstraße folgten. Wer zu schwach war, konnte selbst zum Opfer dieser ausgehungerten Tiere werden.
    »Da!« Mühsam hob Juliane einen Arm, als sie am 13. November die Türme von Smolensk vor sich sah.
    »Rettung!« rief Matthäus und sank zurück auf den Bock. Vor anderthalb Tagen hatte er dem Pferd das letzte bißchen Stroh gegeben und damit gerechnet, daß sie in wenigen Stunden bereits das Tier schlachten und zu Fuß weitergehen müßten.
    Aber jetzt war Smolensk in Sicht und damit keimte Hoffnung auf. Dort mußte es gefüllte Magazine geben, Essen, Trinken und vielleicht sogar ein richtiges Nachtlager. Matthäus beobachtete einen Reiter, der aus der Richtung von Smolensk neben der Straße herritt.
    »Felix!« rief er. »Das ist doch Felix!«
    Ohne Johannes, dachte Juliane, Johannes ist tot. Zum ersten Mal seit Tagen regte sich wieder ein Gedanke in ihr. Johannes ist tot und ich bin frei.
    Matthäus hatte sich inzwischen bemerkbar gemacht und Felix näherte sich ihrem Wagen. Er trug einen seltsamen Umhang, der bis über die Seiten des Pferdes hinabfiel.
    »Damit man das nicht sieht«, sagte er, als er neben ihnen angekommen war. Er hob einen Zipfel des grauen Umhangs und deutete auf zwei pralle Satteltaschen. Matthäus lenkte den Wagen zur Seite und hielt

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