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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Friede wurde nicht, so lang er lebte«, sagte sie leise und Gerter fuhr auf: »Das ist aus Demetrius!«
    »Was ihr berichtet, ist uns allen kund«, sagte sie belustigt, »ich verlang das Wort.«
    Bitte sehr, dachte Johannes und fragte, gleichzeitig herausgefordert und leicht irritiert: »Soll der Kosak uns Ruhm und Beute rauben?« Sie überlegte einen Augenblick, bemerkte dann so leise, daß Johannes aufstand und sich neben sie auf die Chaiselongue setzte: »Auch du erfuhrst die Schläge des Geschicks …«
    Sie blickte zu Johannes auf und als er in die klugen olivfarbenen Augen sah, dem wohlgeschwungenen Mund so nahe war, daß er beinahe ihren Atem fühlen konnte, sagte er nur noch: »Hier ist die Stelle, wo ich sterblich bin«, und nahm sie in die Arme.
    Felix, der in der Küche mit den anderen Dienern gewartet hatte, wunderte sich nicht, als er erfuhr, daß sie ein Quartier gefunden hatten. Aus Gründen der Schicklichkeit brachte Katharina Johannes im dritten Stockwerk unter, so daß zwischen ihrer eigenen Wohnung und der Bleibe von Johannes noch die Zimmerflucht eines russischen Majors lag. Da der Major aber die meisten Nächte bei einer stadtbekannten Dame in Wilna verbrachte, konnte Gerter sich unbekümmert im Treppenhaus bewegen.
    Für Johannes brach eine wunderbare Zeit an – so wunderbar, wie sie fern der Heimat und im Bewußtsein der Gefangenschaft nur sein konnte. Er staunte darüber, daß Katharina sich wenig Mühe gab, ihr Verhältnis nach außen geheimzuhalten, und als er sie darauf ansprach, meinte sie, daß dies ihr auch einen gewissen Schutz gewähre.
    »Seit dem Tode meines Mannes konnte ich mich vor Verehrern kaum retten«, sagte sie und Johannes staunte, wie wenig anmaßend dieser Satz aus ihrem Munde klang, »die meisten waren mir lästig und du hältst sie mir vom Leib.«
    »Aber ich bin ein Feind, ein Gefangener«, gab Johannes zu bedenken.
    »Feind! Was bedeutet das in diesen Zeiten! Morgen sind wir wieder Verbündete, das weiß doch jeder. Schau dir die Preußen an, die haben sich in Kalisch wieder mit uns verbündet und kämpfen jetzt gegen Napoleon. Auch die Tatsache, daß du ein gefangener Ausländer bist, ist von Vorteil. Irgendwann wirst du freikommen und in deine Heimat zurückkehren. Meine hartnäckigen Bewunderer werden weder dir noch mir Schwierigkeiten machen, weil sie glauben, sich nur in Geduld üben zu müssen. Würde ich jetzt einen russischen Offizier erhören, könnten alle anderen ihre Hoffnungen fahren lassen und meine Abendgesellschaften wären nur halb so amüsant. So sieht es aus.«
    »Du benutzt mich also«, erklärte Johannes befriedigt.
    »Haben der Herr Einwände?«
    Die konnte er beim besten Willen nicht geltend machen.
    In den ersten Wochen blickte Johannes jeden Morgen ungläubig um sich, wenn er erwachte. Er lag in einem weichen sauberen Bett, manchmal ruhte ein dunkler Frauenkopf neben ihm, im Kamin brannte ein Feuer, das Waschwasser hatte keine Eisschicht und auf ein Klingeln würde ihm eine Dienerin sofort Tee und manchmal sogar Kaffee oder Schokolade und gegen den ersten Hunger ein Stück Gebäck bringen. Seine Wäsche wurde gewaschen, er konnte sich rasieren und nirgends gab es Läuse.
    Er verfügte frei über seine Zeit, hatte keinerlei Verpflichtungen, außer der, bei den gelegentlichen Abendgesellschaften geistreich zu sein und er war von niemandem bedroht.
    Man wird anspruchsvoll, dachte er, als er bei seinen Ausflügen in und um die Stadt merkte, wie abweisend die Einheimischen waren. Er hätte gern mehr Kontakt zu ihnen gehabt, aber er traf nur auf offene Feindseligkeit.
    An einem Abend im Februar beklagte er sich bei Katharina, daß sich der Schuster geweigert habe, ihm die Stiefel zu flicken, der Wirt in einem Gasthaus ihn mit den Worten abgewiesen habe, daß er prinzipiell keine Deutschen bediene und er nirgendwo auf Freundlichkeit stoße.
    »Nirgends gibt es so viele Deutsche wie in der russischen Armee«, sagte er, »warum haben die mich sofort als Feind erkannt?«
    Katharina lachte.
    »Mein Schatz«, sagte sie, »die Deutschen, die wie mein Mann dem Zaren dienen, benehmen sich nicht so deutsch wie du.«
    Splitterfasernackt erhob sie sich vom Bett, legte die Hand wie zum militärischen Gruß an den Kopf, marschierte im Stechschritt durchs Zimmer und deklamierte mit zauberhaft rollendem R in abgehackten Sätzen: »Hier komme ich! Alle gehorchen! Raus! Herhören, Russen! Wir sind die Größten! Zu Befehl, Herr Oberleutnant!«
    Lachend, aber

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