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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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trotzdem halb beleidigt fragte er: »So bin ich doch gar nicht?«
    »Dann«, sagte sie, kroch wieder ins Bett und küßte ihn, »wäre ich auch nicht bei dir. Aber es ist etwas um dich, etwas schwer zu Beschreibendes, schrecklich, fürchterlich, sehr ordentlich Germanisches. Und das wirst du nie ablegen können. Aber vielleicht liebe ich dich gerade deshalb.«
    Sanft berührte er die kleinen hellen Knospen ihrer Brust und sagte: »Denn wo Strenges mit dem Zarten, wo Starkes sich und Mildes paarten, da gibt es einen guten Klang. Was sollte ich denn deiner Meinung nach tun, um ein bißchen freundlicher behandelt zu werden? Ich gebe ja zu, daß Napoleons Soldaten entsetzliches Leid über dieses Land gebracht haben, aber ich persönlich bin mir keiner Schuld bewußt.«
    Sie stand auf und wühlte in ihrem Dressoir.
    »Das sagen sie doch alle«, murmelte sie, »keiner von euch ist sich einer Schuld bewußt, alle seid ihr Opfer, nie Täter, und ihr erwartet tatsächlich, daß wir eure Klagegesänge mit Verständnis anhören! Und dann wollt ihr auch noch geliebt werden! Wofür haltet ihr uns eigentlich?!«
    Sie wandte sich um und Johannes erschrak, als er sah, daß sie plötzlich wirklich wütend aussah. Er verdrängte den Gedanken an eine andere Frau, die in ihrer Wut schön wurde, während sie es sonst eigentlich nicht war. Katharina stand der Zorn nicht, ihre gleichmäßigen Züge schienen auseinanderzufallen und verzerrten sich zu einer Fratze. Er blickte weg und sagte leise: »Reg dich nicht auf, in Rußland ist der Krieg vorbei, ihr habt gewonnen und werdet wahrscheinlich dauernd weitersiegen, ich habe glücklicherweise überlebt und möchte nur wie ein Mensch, nicht wie ein lästiges Insekt behandelt werden.«
    Sie kehrte zum Bett zurück und hob die geschlossene Faust, in der sie etwas zu verbergen schien.
    »Was macht man mit Insekten? Ausräuchern! Was haben wir mit uns selbst gemacht? Unsere eigenen Häuser in Brand gesteckt! Ihr habt uns gezwungen, daß wir uns selbst wie Insekten behandeln – bitte schön, erzähle mir, wie sollen wir euch behandeln?«
    Johannes blieb nichts als Schweigen.
    Langsam öffnete sie die Faust und zeigte ihm ein kleines silbernes Kreuzchen.
    »Das hängst du dir jetzt ganz sichtbar um, und dann, wenn du geliebt werden willst …«, sie rümpfte leicht die schön geschwungene Nase, »bekreuzigst du dich so …«, sie machte es vor, »… nicht wie die Franzosen, diese Katholiken – andersherum, hast du das verstanden?«
    Er übte kurz und nickte.
    »So ist es gut«, sagte sie befriedigt. »Jetzt wird dich jeder bedauern, daß du als guter orthodoxer Christ unter diesem Heidenvolke leben mußt.«
    In den kommenden Monaten erwies ihm das Kreuz vorzügliche Dienste, aber jedes Mal, wenn er sich andersrum als die Franzosen bekreuzigte, dachte er an die Nacht in Katharinas Schlafzimmer, wo sie ihm plötzlich fremd und häßlich erschienen war. Dann wußte er nicht mehr, ob er sich dieses Gedankens schämte oder der Tatsache, daß er aus rein opportunistischen Gründen ein Ritual vollzog, das anderen heilig war.
    Daß er inzwischen dank intensiver Hilfe Katharinas die russische Sprache rudimentär beherrschte, machte ihn jedoch stolz. Manchmal fiel ihm dann sein Freund Matthäus Schreiber ein, dem Fremdsprachen wie Schneeflocken zugeflogen waren und er wünschte, er könnte jetzt mit ihm russisch plaudern.
    Gedanken an Matthäus riefen unweigerlich Julianes Bild hervor und obwohl er Katharina mehr als nur herzlich zugetan war, gab es da einen Winkel in seinem Inneren, der keiner anderen Frau jemals mehr zugänglich sein würde. Erst nachdem sie in der Beresina ertrunken war, hatte er begriffen, daß sie eine Saite in seiner Seele berührt hatte, die seinem Leben einen neuen Klang gegeben hatte. Immer wieder sagte er sich, daß aus ihnen sowieso nie ein Paar hätte werden können, es war schlimm genug, daß er Matthäus mit ihr betrogen hatte, aber das war in der extremen Situation an der Beresina vielleicht entschuldbar. Keiner von ihnen hatte wirklich daran geglaubt, den nächsten Tag zu überleben, und in einer solchen Lage gibt es keinen Raum für normale Wertvorstellungen. Hätte Juliane überlebt, würde er nie auch nur im Traum daran gedacht haben, ein Verhältnis mit ihr zu beginnen. Das war gegen seine Grundsätze, gegen sein Anstandsgefühl und vor allem hätte er dies Matthäus nie antun können.
    Je näher das Frühjahr kam, desto öfter dachte er daran, daß bald ihr Kind

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