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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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verschwenden, der er seine Gunst geschenkt hatte, als keine standesgemäßen Frauen zu haben waren! Auf der Brücke hatte er sich nicht einmal nach ihr umgesehen, war wahrscheinlich froh, daß er sie endlich losgeworden war. Wie hatte sie nur so beschränkt sein können zu glauben, daß sie diesem Mann auch nur das Geringste bedeutet hatte!
    Er lebte und es ging ihm viel zu gut! Das hatte er nicht verdient! Voller Zorn und Haß bückte sich Juliane zu ihrem Lumpenwägelchen, nahm ein Stück Eisen heraus und schleuderte es mit aller Kraft gegen das Fenster, das in tausend Teilchen zersplitterte.

 
Erkenntnis
    Aus dem Tagebuch von Johannes Gerter:
    November 1813
    Wäre auch das Ziel der Freiheit entfernter gelegen, so sicherte mir doch der längere Aufenthalt in Moskau eine angenehme und sorgenfreie Existenz. Wie es anderen gefangenen Cameraden andernorts erging, vernahm ich von russischen Offizieren, die im Hause Zimmermann ihre Aufwartung machten. Besonders deutschen Offizieren sei es gelungen, nach einiger Bekanntschaft mit der russischen Sprache und dem zahlreichen gastfreien, oft reichen, Adel der Städte und Umgegend, ihr Loos erträglich, ja oft freundlich zu gestalten. Manche lebten gleich mir als Hausfreund solcher Familien, genossen Überfluß und nahmen an allen geselligen Freuden derselben Theil . Andere machten sich durch Kenntniß der Musik oder Malerei, oder durch gefällige Sitten beliebt, und erwarben dadurch überall freundliche Aufnahme, – nicht selten entspannen sich auch zärtliche Verhältnisse bei längerem Umgang. – Den Franzmännern gelang es – bei all' ihrem frivolen Leichtsinn und der ihnen eigenen Manier, sich aufzudringen  – nicht so leicht, Theilnahme an ihrem Geschick zu erregen; da sich der Haß der höheren Classen noch entschiedner gegen sie aussprach, als der des Volkes. Meist dürftig von dem ihnen angewiesenen Wartgeld lebend, mußten sie, wollten sie ihre Existenz zu verbessern suchen, durch mechanische Künste, durch Fecht-Unterricht oder Unterricht in ihrer Sprache, sich einen Neben-Erwerb suchen, so wie Strickkörbchen von Binsen flechten und auf dem Markte feilbieten. Italiener errichteten kleine Marionetten-Theater, in welchem der Arlequino oder Polichinell immer die Hauptrolle spielte. Diese trivialen Späße schienen die Russen ungemein zu amüsiren , obgleich sie nichts davon verstanden. – So lebte ich mehrere Monate in angenehmen Verhältnissen, als ich Ende Oktober Nachricht erhielt von einer Schlacht der verbündeten Völker gegen Napoleon bei Leipzig, die dem Franzosen-Kaiser verloren ging. Ein Monat später kam in meine Hände dieses Manifest unseres erlauchten Königs:
    »Seine Majestät der König haben seit dem am 12. Juli 1806 mit Frankreich abgeschlossenen Traktat, der den Namen ›Rheinische Conföderations -Akte‹ erhalten, die in demselben übernommenen Verbindlichkeiten auf das Genaueste erfüllt. So groß auch die Aufopferungen waren, welche dem König und seinem Reich angesonnen worden, so sind solche unweigerlich geleistet worden, auch selbst dann, wenn, wie es 1812 und 1813 der Fall war, die von dem Kaiser von Frankreich übernommene Gegenbedingung der Beschützung des Königreichs ganz aus den Augen gelassen wurde. Nie konnte die Gefahr, so das Königreich bedrohte, größer und näher sein, als in dem letzten Feldzug, und doch blieben alle von Sr. Majestät an den Kaiser Napoleon gerichtete Ansuchen, die von allem Militär entblößten Grenzen zu schützen, unbeachtet und unbeantwortet. Soglauben S. Majestät aller mit dem französischen Kaiser genommenen, aus der Rheinbundakte entstandenen Verbindlichkeiten vollkommen entledigt und berechtigt zu sein, aus dieser Verbindung zu treten. Infolgedessen haben S. K. Majestät unter dem 2. November mit sämmtlichen Kaiserlichen und Königlichen verbündeten Höfen einen Allianz-Traktat abgeschlossen und dadurch Höchstderselben Sache zu Ihrer eigenen gemacht. Ein allgemeiner, gesicherter, dauerhafter und der Willkür keines einzelnen Staates ausgesetzter Friede ist der Zweck des kräftigen Strebens der verbündeten Mächte. Diese Hoffnung muß jeden beleben und für die Last und den Drang des Augenblicks unempfindlich machen.
    Stuttgart, den 6. November 1813, Friedrich.«
    Erschrocken starrten die Gäste zum Fenster und einige, denen die Kriegserfahrungen noch in den Knochen saßen, gingen sofort in Deckung. Zwei Bedienstete stürzten vor die Tür und erwischten Juliane, bevor sie mit ihrem

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