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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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diesmal.
Die Artillerie verstummte.
    »Okay«, sagte ich. »Bring mich zu ihrem
Anführer.«
    »Bloß in einem virtuellen Sinn«, erwiderte
Julie. »Bring du mich ins Media Lab oder wie man heutzutage
dazu sagt, dann verbinde ich dich mit ihm.«
    Ich nahm mein Jackett und den Computer und drückte die
Zigarette aus. »Was ist mit den Studenten?«
    »Kein Problem«, meinte Julie. »Die
streiken.«
    »Oh«, machte ich und hielt die Tür auf,
während sie ihren Rock hindurchmanövrierte. »Wo
arbeiten sie denn?«
     
    Ungeachtet des Beitrags, den die Studenten durch ihr
Fernbleiben zu leisten meinten, wären sie besser in den
Medienraum gekommen. Im kühlen, stillen Keller des Perry
Anderson Buildings, durch dessen in Deckennähe befindliche,
mit Brettern verrammelte Fenster ein wenig Tageslicht fiel, lagen
Kameras, Monitore und VR-Ausrüstung inmitten verstreuter
Notizen, zerkauter Schreibstifte und dreckiger Styroporbecher
herum. Während Julie immer mehr Kabel einstöpselte,
entbrannte eine Medienschlacht, die beinahe ebenso wichtig war
wie die reale.
    Britannien – das ›ehemalige Britannien‹,
wie die Yanks es nannten – war zur Abwechslung einmal auf
allen Kanälen präsent. Die ANR bereitete sich angeblich
auf die Offensive vor, während sich die US/UN für eine
weitere blutige Intervention wappneten. Währenddessen
schwirrten die örtlichen Nachrichtengruppen und Kanäle
von Gerüchten und Diskussionen. Die ANR hingegen ließ
nichts verlauten, abgesehen von einem Manifest und einem
Zeitplan, dem zu entnehmen war, wann und wo sie losschlagen
würde. Für den morgigen Tag war einiges geplant.
    »3-D oder flach?«, fragte Julie, womit sie mich
aus einem faszinierenden Diskussionsfaden herausriss, der sich in
einem der Ministaaten in Yorkshire entwickelte.
    »Flach.« Den Umgang mit den Handschuhen, der
VR-Brille und den Geräten fand ich lästig – wenn
man sich so herausstaffierte, dann sollte man es meiner Ansicht
nach lieber tun, um einer gesunden perversen Neigung nachzugehen,
anstatt um in einen Computer hineinzugelangen.
    »Okay, stell’s jetzt durch.«
    Die Newsgroup-Diskussion (und die damit einhergehenden, nicht
minder reizvollen Comicfiguren – Smileys wurden sie genannt
–, die Grimassen schnitten, obszöne Gesten
vollführten oder sich als graphische Glosse zur Hauptdebatte
am Bildrand fläzten) verschwanden und wurden durch die
Videoverbindung ersetzt.
    Das Bild war verrauscht; es hatte Kratzer wie ein alter Film
(dem empörten, in der Bildschirmecke auf und ab springenden
Copyleft-Dämon zufolge war die Verschlüsselung von
einer Campus-Freeware in North Carolina geklaut worden), und die
Stimmqualität entsprach der eines schlecht kopierten
iranischen Sexfilms, doch es bestand kein Zweifel, wer am anderen
Ende der Leitung war.
    »Ah… hallo, Jon.«
    »Hi, Dave. Hab gar nicht mit dir gerechnet.«
    (»Du kennst diesen Typen?«, zischte
Julie.)
    Dave hüstelte. »Ich habe ein paar Kampfeinheiten
für… äh… technische Arbeiten bei der
gegenwärtigen Operation angeheuert und unterhalte seit
einiger Zeit gute Geschäftsbeziehungen zu unseren Freunden
im Norden.«
    Ich verstand, was er sagen wollte, trotzdem fand ich seine
Bemerkung unnötig verschwommen. Ich bemühte mich,
durchtrieben dreinzuschauen.
    »Machst du dir Sorgen wegen der Verschlüsselung
oder so? Ich meine, dafür waren doch deine Leute
zuständig.«
    »Nein, nein.« Dave ruckte mit dem Kinn. »Es
ist bloß – wer ist denn die Tussi da hinter dir auf
der Sitzbank?«
    »Äh?« Ich wandte mich um. Julie hatte sich
über den steifen Rock vorgebeugt, ihre hübschen Stiefel
baumelten in der Luft wie bei einer Regalpuppe.
    »Pass auf, was du sagst, Mann, das ist Julie
O’Brien.«
    »Verzeihung, Ma’am«, sagte Reid. »Hab
Sie nicht erkannt.«
    »Schon gut«, meinte Julie. »Sie können
offen sprechen.« Wahrscheinlich fühlt sie sich
geschmeichelt, weil er sie Tussi genannt hat, dachte ich
mürrisch.
    »Okay«, sagte Reid. Er entspannte sich. »Die
Sache ist die, Jon, ich arbeite schon seit Jahren mit der ANR
zusammen und habe in den vergangenen Wochen ein paar
Geschäfte mit Schutzfirmen in deiner Gegend
gemacht.«
    »Ja, ich hab gemerkt, dass die Kampf-Futures gestiegen
sind.«
    Reid grinste. »Ja, und die kann man als
Versicherungshebel verwenden…« Er rieb sich die
Hände. »Tolle Sache, aber jetzt, da wir mit den
Straßenbesitzern und den Cop-Kooperativen

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