Die Mars-Stadt
führte die zivile Erhebung
die Revolution im Laufe der nächsten Tage zum Sieg. Als sich
herausstellte, dass auch in Amerika gestreikt wurde und dass
keine Truppen entsandt werden würden, flüchtete die
Restaurationsregierung der Hannoveraner in Hubschraubern, um
›den Kampf gegen den Terrorismus aus dem Exil
fortzusetzen‹, wie sie es ausdrückte.
Der Sturz der US/UN wurde im Sinne der
Verschwörungstheorien, die ich ein für allemal für
erledigt gehalten hatte, auf einen Virenangriff auf die globalen
Informationsnetze zurückgeführt. Ich hingegen glaube,
nach kurzem Nachdenken müsste jedem einsichtig werden, dass
die Aufstände in Britannien und Sibirien, einhergehend mit
einem eskalierenden Rüstungskontrollstreit mit Japan, das
amerikanische Volk schließlich davon überzeugten, dass
die Weltherrschaft keine weitere Steueranhebung und keine
Mobilisierung wert war. Nachahmeraufstände, wie man sie
nannte, breiteten sich mit der Geschwindigkeit eines
Internetgerüchts rund um den Globus aus. Die mit den
gesellschaftlichen Umwälzungen, die letztlich auf eine
Weltrevolution hinausliefen, einhergehenden technischen
Störungen reichen meiner Ansicht nach als Erklärung
für die monatelang andauernden chaotischen Zustände in
den Rechnersystemen in aller Welt vollauf aus.
Damals musste ich mich um dringendere Probleme kümmern;
unter anderem musste ich meinen neuen Job loswerden, ohne ihn an
jemand Schlimmeren abzugeben. Eigentlich hätte ich niemals
Diktator werden dürfen, aber im Anarchismus ist eben alles
möglich. Jedenfalls ist er keine Vorbereitung auf die
Regierungsverantwortung.
Februar 2046. Der kälteste Winter seit Jahren.
Während man das wertlos gewordene Geld verfeuerte, sprach
man von einem Loch im Treibhaus.
Wir hatten unser eigenes Treibhaus, eine geodätische
Kuppel in der Nähe von Trent Park, am Rande der
Universität. Die Studenten waren damit beschäftigt,
Fehler in Bezug auf Demokratie und Elitedenken zu begehen, die
ich schon zu meiner Zeit in Glasgow überwunden geglaubt
hatte. Ich ließ sie gewähren. Annette ging in einem
pelzgefütterten Laborkittel ihren Gartenbauexperimenten
nach. Ich hämmerte Netzpropaganda in die Tasten, redete mich
im Kabel heiser, hielt Netzkonferenzen mit den politischen
Gruppierungen Norlontos ab und entwarf eine gemeinsame Linie, die
wir der nationalen Regierung vorlegen konnten.
Zur Entspannung redete ich mit Menschen im All. Jenseits der
Lagrange-Siedlungen und des Mondes benutzte man besser E-Mail,
ein Medium, das der Zeitverzögerung aufgrund der
Lichtgeschwindigkeit eher angemessen war. Die Erzförderer
auf den Asteroiden baten mich ernsthaft um Rat in Bankfragen, die
Kolonisten auf dem Mars beschwerten sich darüber, dass sie
jetzt, da die Mittel der Weltraumverteidigung gekürzt
wurden, vernachlässigt würden. Soldatenräte auf
ehemaligen Kampfsatelliten der Weltraumverteidigung bombardierten
mich mit Ideen für eine gewinnbringende Nutzung der
Laserkanonen. (Im Grunde waren das wirklich anständige
Leute, sonst wäre ihnen das Naheliegende eingefallen.)
In der Zwischenzeit ging der Bürgerkrieg weiter. Das
bescheidene Ziel der Republik, die nationale Einheit mit lokaler
Autonomie zu vereinen, führte immer wieder zu
Auseinandersetzungen mit lokalen Gruppierungen, deren
Vorstellungen von Autonomie viel weiter reichten. Als Staat war
die Republik in vielerlei Hinsicht weitaus schwächer, als es
das Königreich – mit seiner allgegenwärtigen,
über den Horizont hinausreichenden Orbitalstreitmacht
– jemals gewesen war. Vor allem hatte die Revolution alles
infrage gestellt: Sie hatte Anreize zum Desertieren geliefert,
wie die Spieltheoretiker es ausdrückten.
Flüchtlinge strömten vom Land nach Norlonto und
führten ihre Kämpfe in den Barackensiedlungen und
Lagern fort. Der Druck auf unsere Wohlfahrtseinrichtungen und die
Schutzmilizen erhöhte sich von Woche zu Woche, und
allwöchentlich wies ich deren Verantwortliche an, neue
Mitarbeiter unter den Flüchtlingen zu rekrutieren.
Das funktionierte so lange, bis es schwierig wurde zu
erkennen, wer wen rekrutierte. Miteinander konkurrierende
Polizeigruppen fanden sich buchstäblich in rivalisierenden
bewaffneten Lagern wieder, deren Quartiermeister meistens auch
für die Verteilung der Hilfsgüter zuständig waren.
Wir nannten dies das Thailand-Syndrom.
Die wöchentlichen Sitzungen des Verteidigungskomitees
fanden
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