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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Nachrichtensender daraus ziehen. Ich möchte alle Zuschauer
dringend bitten, nichts zu überstürzen – das
Gesetz soll seinen Lauf nehmen, das ist der einzige Weg, um die
zivilisatorischen Werte des Anarchismus zu bewahren und
weiterzuentwickeln.« Er lächelte erneut. »Das
wäre alles.«
    »Ich danke Ihnen, Jon Wilde! Haben Sie etwas zu Richter
Eon Talgarths Ansichten hinsichtlich Ihrer Person zu
sagen?«
    »NEIN«, riet MacKenzie mit Nachdruck.
    »Überhaupt nichts«, antwortete Wilde
aufgeräumt. »Ich habe volles Vertrauen, dass ein so
angesehener Mann wie er sich von derlei Dingen nicht in seinem
Urteil wird beeinflussen lassen. Ich bin sicher, meine
Entscheidung für dieses Gericht beweist, dass es mir damit
ernst ist.«
    Er klopfte sich andeutungsweise an die Brust und nickte. Das
Mädchen zögerte, ging buchstäblich in die Luft und
wartete auf mehr, Wilde aber setzte eine undurchdringliche Miene
auf und wandte sich brüsk von den Kameras ab. Tamara eilte
ihm nach.
    »Das war gut«, meinte sie. Besonders begeistert
wirkte sie nicht. Wilde drückte ihr die Schultern.
    »Du nicht auch noch«, sagte er.
    Sie sah zu ihm auf. Er blickte starr geradeaus.
    »Wovon redest du?«
    »Viele Genossen waren enttäuscht über meine
Mäßigung und meinen gesunden Menschenverstand. Davon
habe ich schon in meinem ersten Leben genug
abbekommen.«
    Er ließ ihre Schultern los und stupste sie dabei an. Sie
sah wieder nach vorn und stellte fest, dass sie genau auf eine
Gruppe zugingen, die sich um David Reid gesammelt hatte.
    Reid trug einen weiten Wollanzug und ein blaues Baumwollhemd
ohne Krawatte. Mit der Linken stützte er sich auf die Lehne
eines Stuhls, auf deren Sitzfläche er eine Kaffeetasse
abgestellt hatte. In der Rechten hielt er eine Zigarette, mit der
er weit ausholende Gesten vollführte, die eine Rauchspur
zurückließen. Er unterhielt sich mit drei Männern
und einer Frau, die alle ähnlich lässig gekleidet waren
wie er. Sein langes Haar war noch feucht vom Waschen und von der
Morgenluft.
    Als er Wilde sah, straffte er sich, nahm die Zigarette in die
Linke und streckte die Rechte vor. Die beiden Männer
schüttelten sich lächelnd die Hände, musterten
einander und entdeckten in des anderen Miene Wiedererkennen und
ungläubiges Staunen.
    »Es ist lange her«, sagte Reid.
    »Für mich nicht«, entgegnete Wilde.
    Reid nahm die Bemerkung mit einem lebhaften Nicken zur
Kenntnis.
    »Ich weiß«, sagte er. »Mit etwas mehr
Abstand würdest du vielleicht einiges anders
sehen.«
    »Ich sehe die Straße nach Karaganda noch ganz
deutlich vor mir«, meinte Wilde. »Und auch dein
Gesicht.
    Als ich die Augen schloss. Ich hatte genug Zeit, um über
deinen Gesichtsausdruck nachzudenken, mein Freund.«
    »Das war nicht persönlich gemeint«, sagte
Reid. »Und das hier ist es auch nicht.«
    »Ich weiß, dass es nicht persönlich gemeint
war«, sagte Wilde. »So gut kenne ich dich, Dave.
Beinahe wünschte ich, es wäre anders
gewesen.«
    »Wir waren beide Vollblutpolitiker«, sagte Reid
leichthin. »Du musstest ganz ähnliche Entscheidungen
treffen. Zu deiner Zeit.«
    Wilde zuckte die Achseln. Er langte nach den Zigaretten. Reid
kam ihm zuvor und bot ihm eine Packung und ein Feuerzeug an.
Wilde nahm beides mit einem bitteren Lächeln an.
    »Tabak«, meinte er versonnen, als bemerke er
dessen erstaunliches Vorhandensein erst jetzt. »Baumwolle.
Wolle. Wo sind die Plantagen, die Pflanzen?«
    »Die organische Synthese ist unsere fortschrittlichste
Technik«, antwortete Reid. »Das solltest du
eigentlich wissen.«
    Wilde lachte. »Die Verhandlung beginnt in dreiundzwanzig
Minuten«, sagte er. »So lange hast du Zeit, mich
davon zu überzeugen, dass du mich nicht deshalb hast sterben
lassen, um mich endgültig zum Schweigen zu
bringen.«
    Reid berührte Wilde an der Schulter, als wollte er ihn an
etwas erinnern.
    »Nicht endgültig«, erklärte er.
»Du bist hier, und du warst…« Er stockte.
Wilde sprach sogleich weiter; man hätte meinen können,
er habe Reid unterbrochen.
    »Es hat lange genug gedauert!«, sagte er.
»Du hast es beinahe zugegeben, Mann! Ich will, dass du es
zugibst und erklärst. Und dass du die lächerliche
Behauptung zurücknimmst, ich wäre verantwortlich
für das Verhalten des Robots Jay-Dub und für die Flucht
der autonomen Maschine, die du in Annettes Körper hast
umherwandeln lassen. Eine Entschuldigung für diese
Beleidigung meiner Frau

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