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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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an die
Mitglieder der Weltraumbewegung in die Tastatur des realen
Tisches ein, welche besagte, sie sollten sich weiterhin zur
Verfügung halten. »Die Sitzung ist vertagt. Wir sehen
uns morgen.«
     
    »Welches Spiel spielst du eigentlich, Wilde?«,
fragte Julie, als die Wohlfahrts- und Geschäftsleute
verschwunden waren. »Das können wir nicht
widerspruchslos hinnehmen. Das wäre das Ende
Norlontos!«
    Mike Davis und Juan Altimara nickten empört.
    »Ihr Kleingläubigen«, sagte ich.
»Selbstverständlich wäre dies das Ende Norlontos.
Wenn ich mich recht entsinne, wart ihr auf den Anfang gar
nicht sonderlich scharf.«
    Juan, der in jungen Jahren als Flüchtling vor dem kurzen
brasilianischen Biokrieg aus Anlass der Abspaltung Amazoniens
nach Norlonto gekommen war, blickte Mike und Julie an. Die
Pilznarbe auf seiner Wange zuckte, als er die Stirn runzelte.
    »Das hab ich nicht gewusst«, sagte er.
    Julie errötete, Mike spielte mit dem Joystick herum:
»Das ist jetzt Schnee von gestern«, sagte er
verlegen. »Norlonto ist seit Jahren eine Bastion der
Freiheit, ein erfolgreiches Experiment, und da willst du die
Planwirtschaftler einmarschieren lassen, ohne dass ein Schuss
fällt!«
    »Entschuldigt, Genossen«, sagte ich, »aber
wer kapituliert hier eigentlich vor dem Dirigismus?« Ich
wühlte in den virtuellen Tiefen des Tisches, ließ
wahrscheinliche Einfallrouten aufleuchten und glich sie mit den
Entwicklungen der Versicherungsratings, der Aufstellung der
Schutzagenturen und den Stützpunkten der Milizen ab.
»Also, ich sehe das so: Wenn die Kunden der verschiedenen
Schutzagenturen, die Gemeinwesen und die Grundstückseigner
dieser Stadt einen Deal mit einer nationalisierten
Verteidigungsindustrie abschließen wollen, was geht uns das
an? Ist das nicht Anarchokapitalismus, wie er im Buche
steht?«
    »Mir kommt das eher vor wie der Ausverkauf der Anarchie
durch die Kapitalisten!«, entgegnete Julie.
    »Das ist ihr gutes Recht«, meinte Mike.
»Also, ich muss Jon da zustimmen. Trotzdem bedeutet es,
dass wir gescheitert sind.«
    Julie und Juan beäugten die vergrößerte Karte,
die allmählich Gestalt annahm. Dann sahen sie einander
an.
    »Wir müssen nicht unbedingt scheitern«, sagte
Juan. »Die Miliz ist stark genug, um die republikanischen
Streitkräfte abzuwehren. Wir haben genug Zeit, um die
Bevölkerung zu mobilisieren. Die Armee kann sich in der
eigenen Hauptstadt kein Massaker erlauben – davor werden
selbst die Hannoveraner zurückschrecken.«
    »Mit den Morden auf dem Land kommen sie auch
durch«, erwiderte ich. »Habt ihr überhaupt schon
mal mit irgendwelchen Flüchtlingen gesprochen?«
    Julia winkte ab. »Glaubt man dem Gejammere dieser Leute,
ist die Republik eine monströse Tyrannei, was sie
offensichtlich nicht ist, und deshalb…«
    »Weshalb bereitet es dir dann Sorgen, dass ihre Truppen
in unseren Straßen patrouillieren könnten?«
    »Weil…« Julie sah mich an, als entginge mir
etwas so Offensichtliches, dass sie kaum glauben könne, es
aussprechen zu müssen. »Weil es unsere Stadt ist,
verdammt noch mal! Unsere freie Stadt! Nach all den Jahren
dürfen wir nicht zulassen, dass der Staat einmarschiert. Wir
sollten scharf gegen die Lager vorgehen, und zwar sofort. Wir
sollten diese ganzen Mafiaorganisationen und abtrünnigen
Milizen verjagen, damit die Armee keinen Vorwand für den
Einmarsch hat. Wenn wir gleich aktiv werden, können wir es
heute Nacht noch schaffen!«
    Ich konnte erkennen, dass Mike sich den Vorschlag zu Herzen
nahm; mir hingegen sank der Mut. Ich wünschte, Catherin
Duvalier hätte sich einen anderen Tag zum Heiraten
ausgesucht.
    Ein Schmetterling löste sich aus der uns umgebenden
abgrundtiefen Dunkelheit und ließ sich mit bebenden
Flügeln auf dem Tisch nieder.
    »Oh, Mist«, sagte er mit Annettes Stimme.
»Ich hoffe, das verdammte Ding
funktioniert…«
    »Wir sehen dich, Annette«, sagte ich. »Was
machst du hier? Wie bist du hergekommen?«
    Ich spürte, wie sie über meine Hand streichelte.
    »Entschuldigt bitte«, sagte sie, »ich
weiß, ich habe hier nichts verloren, und ich habe das
System auch nicht gehackt oder so. In der Realität sitze ich
Jon an einem Tisch gegenüber, und ich habe gehört, was
er gesagt hat, und da hab ich mich an seinen Link
drangehängt und bin der Unterhaltung
gefolgt…«
    »Das ist ein Sicherheitsrisiko!«, warf Juan
ein.
    »Das ist kein Sicherheitsrisiko, das ist meine

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