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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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ernsthaft.«
    »Im Moment bin ich nicht besonders ernsthaft
aufgelegt.«
    Sie musterte mich einen Moment lang forschend, dann sagte sie
lächelnd: »Was hältst du davon, wenn wir mal das
Gras testen?«
    Ich hielt das für einen seltsamen Amerikanismus, der sich
auf Sex bezog, und sah meinen Irrtum erst ein, als sie sich daran
machte, auf der Bettkante einen kunstvollen Joint zu bauen; dann
aber stellte sich heraus, dass ich mich doch nicht geirrt
hatte.
     
    Myra und ich hatten keine Affäre, eher war es eine
Abfolge von One-Night-Stands. Zehn Tage, die die Welt
erschütterten. Wir machten uns beide nichts vor, doch ich
möchte glauben, dass wir beide hofften, es würde mehr
daraus. Nach außen hin und voreinander standen wir
über den Dingen, taten ganz cool und sehr
freizügig.
    Dann verknallte sie sich in einen chilenischen
Widerstandskämpfer mit einem schwarzen Schnäuzer, und
ich war erstaunt über meine Wut und meine besitzergreifende
Eifersucht. Es gab einen Moment, gegen drei Uhr morgens nach dem
Abend, als Myra mir gesagt hatte, es sei sehr schön gewesen
und sie habe mich richtig gern, habe aber unerwarteterweise
festgestellt, dass ihre Gefühle für diesen
lateinamerikanischen Leninisten so stark und ganz anders
wären als alles, was sie bisher gekannt habe, weshalb sie
sich in fünf Minuten unbedingt mit ihm treffen
müsse… also, es gab da einen Moment, als ich aus
einer schmierigen Tasse schwarzen Kaffee trank und mit
ungläubigem Abscheu den Aschenbecher mit den teerschwarzen
Zigarettenstummel anstarrte, während ich bereits die
nächste Zigarette drehte, bloß um mir daran die Zunge
zu verbrennen, als mein Biorhythmus ein Wellental durchlief, mein
Blut verebbte und die Wärme meinen Körper floh und ich
mich nie wieder in ein Bett legen wollte, das nicht das
Versprechen enthielt, dass Myras Schambein sich an meinem reiben
würde.
    Und die ganze Zeit über arbeitete ein Teil meines
Verstandes und analysierte, wie absurd es doch war, dass ich mich
über meine Eifersucht wunderte, und auf einer wiederum
anderen Ebene meines Bewusstseins beglückwünschte ich
mich zu meiner stoischen, einsichtigen Haltung, die mich zu der
Einsicht befähigte, dass ich einer simplen Primatenreaktion
aufgesessen war, die sich irgendwann auch wieder legen
würde.
    Ich nahm einen Kuli zur Hand und kritzelte auf einen
Schreibblock: Steinzeitmenschen mit Brillen vor den Augen, damit ich diese Einsicht auch ja nicht vergaß, dann schlief
ich ein. Noch immer voller Schmerz, aber auch mit dem
Gefühl, die Sache mit der Eifersucht und der unerwiderten
Liebe durchschaut zu haben.
     
    Während Myra und ich darauf achteten, uns nicht
ineinander zu verlieben (was lediglich bei Myra von Erfolg
gekrönt war), hatte ich mich in Reid verknallt. Es gibt eine
Art Liebe, die sich mittlerweile (Gott gebührt dafür
kein Dank) zu bekennen wagt, und es gibt eine andere Art Liebe,
die nicht einmal ihren verdammten Namen kennt, und so war es bei
uns. Wir zogen uns magnetisch an, eine Art geistiger
Zusammenprall.
    Reid war untersetzt und dunkelhaarig, mit wohlproportionierten
keltischen Gesichtszügen; ich war hoch gewachsen und
drahtig, trug das Haar kurz geschoren, um zu verbergen, wie
dünn es damals schon war, und hatte eine Nase, die mir als
Kind den Spitznamen Indianer eingetragen hatte. Reid war
linkisch, ich war zuvorkommend; Reid aber tat seine
Unbeholfenheit mit einem Achselzucken ab und stand
gewissermaßen darüber, während ich jeden
gesellschaftlichen Anlass als eine Prüfung meiner Eloquenz
ansah. Reids Eltern waren religiös – sie gehörten
einer Freikirche an – und hatten sich nach Kräften
bemüht, ihm deren Grundsätze einzuprägen; meine
Eltern waren stramme Marxisten, begegneten meiner philosophischen
Entwicklung allerdings mit einer gewissen Gleichgültigkeit.
Obwohl Reid von Fragen berichtete, die mit Ohrfeigen oder
Tränenfluten beantwortet wurden, hatte ich bisweilen den
Eindruck, die harte Linie seiner Eltern sei ihm besser bekommen
als mir die nachsichtige.
    Reid war Kommunist, ich Liberalist; allerdings verfügte
er über eine quirlige Unabhängigkeit des Denkens, die
hartnäckige Neigung, sich über Widersprüche in den
von seiner politischen Sekte vertretenen Lehren den Kopf zu
zerbrechen. Ich vermutete bisweilen, ich neige allzu sehr dem
Skeptizismus zu, und vertraue nach katholischer Art zu sehr
darauf, dass mein wackliger Stapel von

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