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Die Mars-Stadt

Die Mars-Stadt

Titel: Die Mars-Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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dreißig Jahren geflogen waren. Diesmal kein
Beschuss; der Korridor über den Ural war längst
freigebombt worden.
    Von Stanstead nach Alma-Ata, dessen Flughafen noch vernarbt
war vom Sieg der Kasachischen Volksfront; dann in den Norden nach
Karaganda, ein abweisender, schmutziger Ort, der trotz des
Schnees schwarz wirkte: postsowjetisch, postindustriell,
postunabhängig, in jeder Beziehung post. Von Karaganda gab
es eine Linienverbindung nach Kapitsa; da die ITWAR nach wie vor
eine unabhängige Enklave war, wurde ich kontrolliert –
zum ersten Mal im Verlauf der Reise. Frontkader und einheimische
Beamte überprüften meine Dokumente, gaben die Daten in
einen uralten Rechner ein (der, der Reaktionszeit nach zu
schließen, irgendwo in Indien stand) und boten mir
lächelnd Johnny Walker Red Label an, als die Antwort
erfolgte. Ich hatte mich zu einem Zeitpunkt, als es noch nicht in
Mode gewesen war, positiv über die KPF geäußert.
Immer wieder sagten sie, wie bewundernswert sie dies fänden,
und nach ein paar Whiskies sagte ich ihnen, wie sehr ich sie
bewunderte. Sie hatten gegen die US/UN gekämpft, hatten ihr
Land wiedervereinigt, ohne neue nationalistische Feuer zu
entfachen, und darauf verzichtet, ihre Staatsform dem Teil des
Landes aufzuzwingen, der sie nicht haben wollte.
    »Die ITWAR?« Das hielten sie für komisch. Sie
hatten sich nicht aus hochfliegenden Prinzipien heraus
zurückgehalten.
    »Warum dann?« Ich zuckte die Achseln und blickte
zu der Karte über dem Zolltresen auf. An der
Verteidigungskapazität der kleinen Enklave hatte es bestimmt
nicht gelegen.
    »Ödland«, sagte man mir.
»Bombenland.«
     
    Es heißt, die Steppe rund um Kapitsa leuchte bei Nacht,
doch das ist bloß das vom Schnee reflektierte Sternenlicht.
Das jedenfalls sagte ich mir im Flugzeug, während ich die
Wirkung des guten Whiskys ausschlief, unvermittelt wach wurde,
rauchte und abermals einnickte. Außer meinem waren
lediglich zwei weitere Plätze belegt, doch die beiden
Passagiere waren ebenso wenig wie ich an Gesellschaft
interessiert. Ich ließ die Leselampe ausgeschaltet, presste
das Gesicht ans Fenster, beobachtete den schwarzen Faden der
Straße, die von Karaganda nach Semipalatinsk durch die
Steppe führte, und meinte sogar die winzigen
Lichtpünktchen der Schneepflüge zu erkennen.
    Wir landeten bei zwanzig Grad unter Null in der einsetzenden
Morgendämmerung auf einer soeben freigeräumten
Landebahn. Ein kleiner Bus brachte uns zum Terminal. Hinter den
schmutzigen Schneehügeln ragten dunkel die skelettartigen
Startrampen auf. Nur wenige Flugzeuge standen herum, kein
einziges war im Landeanflug begriffen. Das Flughafengebäude
war so hell erleuchtet wie eh und je, die Arbeiter, die
überflüssigerweise die geschäftigen Maschinen
überwachten, gingen ihren Tätigkeiten mit der gleichen
Unerschütterlichkeit nach wie früher. Auch die Plakate
mit riesigen Bildern der Helden der Republik waren noch da.
    Doch verglichen mit dem Getriebe, das hier geherrscht hatte,
als der Staat noch nukleare Abschreckung exportierte, wirkte der
Flughafen nahezu verlassen. Die drückende Leere erinnerte an
die öffentlichen Plätze der alten kommunistischen
Hauptstädte. Ich durchquerte die Halle mit der nervösen
Zögerlichkeit, die man beim Betreten eines großen,
alten und möglicherweise unbewohnten Hauses
verspürt.
    Ich hatte keine Ahnung, wie es nun weitergehen sollte. Ich
hatte angenommen, Myra würde es mir sagen; wenn sie mich
hätte warnen wollen, dann hätte sie es wohl in der
Nachricht getan. Wie ich so dastand, kam mir der Gedanke, dass
sie möglicherweise allein die Tatsache hatte geheimhalten
wollen, dass sie meine Hilfe brauchte.
    Der Kaffeeausschank war noch da und hatte geöffnet. Ich
bestellte einen Kaffee und setzte mich mit einer
englischsprachigen Ausgabe der Kapitsa Pravda, die ihrem
Namen insofern gerecht wurde, als sie die Nachrichten offenbar
wahrheitsgetreu wiedergab, an einen Tisch. Erst als ich bei den
Sportseiten angelangt war, wurde mir bewusst, dass nichts
über Kapitsa darin stand.
    Ich musterte die Menschen in der Halle und heftete meinen
Blick auf jede Person, die zufällig Ähnlichkeiten mit
Myra aufwies, lehnte mich aber jedes Mal enttäuscht wieder
zurück. Eine Stunde verstrich. Die Wachposten der
Gesellschaft für Wechselseitigen Schutz patrouillierten
umher, als gehörte ihnen die Anlage. Menschen kamen und
gingen. Ich hörte

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